Alte Goldfäden, fein wie ein Haar

Trier · Textilarchäologin Nicole Reifarth ist für ihre Doktorarbeit in Sarkophagen auf Spurensuche gegangen und fand heraus: In St. Maximin wurde die römische Elite mit Purpur, Seide, Gold und kostbaren Harzen bestattet. Schneckenpurpur ließ sich auch nach 1700 Jahren noch chemisch nachweisen.

Trier. Schon die Inschriften hatten es vermuten lassen: Im Gräberfeld unter der ehemaligen Abteikirche St. Maximin wurden Angehörige der römischen Elite bestattet.
Die 37-jährige Textilarchäologin Nicole Reifarth hat diese These nun untermauert. Für ihre Dissertation im Rahmen eines Forschungsprojektes am Trierer Dom-Museum führte sie internationale Spezialisten aus Natur- und Geisteswissenschaften zusammen und untersuchte 22 Sarkophage, die in den 1980er Jahren geborgen worden waren, mit zerstörungsfreien Methoden.
Mit speziellen Mikroskopen hat die Forscherin organische Mikrospuren von Purpur, Seide, Gold und Harzen aufgespürt. "Die Sarkophage enthalten in bislang einzigartigem Umfang die hochwertigsten Erzeugnisse, die für die spätantike Textilproduktion bekannt sind.
Gold, Seide und Purpurwolle wurden auf technologisch höchstem Niveau zu kostbaren Gewändern verarbeitet", schwärmt die Forscherin. Wie hauchdünne Goldfäden mit dem Durchmesser eines menschlichen Haars hergestellt worden seien, bleibe ein Rätsel.
Reifarth fand Seidengewebe, von deren Typus bislang nur ein knappes Dutzend kleinster Fragmente bekannt war.
Dass die Tuniken der Toten von St. Maximin komplett mit Purpur eingefärbt waren, hat die Wissenschaftlerin erstaunt. Der Purpurfarbstoff ließ sich bei ihren Untersuchungen - 1700 Jahre später - immer noch chemisch nachweisen.
"Schneckenpurpur war das teuerste und exklusivste Färbemittel der antiken Welt. Für ein Gramm Purpur brauchte man bis zu 10 000 Schnecken", berichtet die Historikerin.
Auch eine weitere Erkenntnis ist bemerkenswert: Reifarth hat erstmals gesichert eine systematische Anwendung aromatischer Harze und Öle an Leichnamen nachgewiesen.
"Ob das ein Hinweis auf frühchristliche Bestattungsrituale ist, zum Beispiel eine letzte Ölung, können wir nicht mit Sicherheit sagen. Zumindest bewirkten die Essenzen wohl eine Geruchsneutralisierung, da viele Sarkophage innerhalb der Basilika nicht vollständig mit Erde bedeckt waren."Extra

Nicole Reifarth und die Trierer Historikerin und St.-Maximin-Expertin Hiltrud Merten referieren am Mittwoch, 4. Dezember, um 19 Uhr im Museum am Dom über "Boethiolas Seidenkleid: Alltag und Luxus in der spätantiken Kaiserresidenz Trier". Im Rahmen der Vortragsreihe des Vereins Trierisch wird ein Lebensbild am Trierer Kaiserhof aus aktuellen, fachübergreifenden Forschungen nachgezeichnet. sbn

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