Reise in eine andere Welt

KERNSCHEID. Auf der Kernscheider Höhe stehen die Wiesen in sattem Grün, die Felder in voller Frucht. Das Kontrastprogramm dazu erlebt die 29-jährige Stéphanie Ursulet derzeit in Burkina Faso. Wüste, Armut, Hungersnot. Ihre Mutter Christina unterstützt sie von Kernscheid aus und reist am 8. Juli zu einem dreiwöchigen Besuch nach Afrika.

Tränen der Rührung und des Schmerzes rollen Christina Ursulet über die Wangen. Wenn die Kernscheiderin über die Abreise ihrer Tochter Stéphanie spricht, schwingt Wehmut mit. Denn die 29-Jährige ist nicht einfach weggezogen. Ihr Weg führte sie Ende Oktober 2004 nach Westafrika. Dort, in Burkina Faso, lebt und arbeitet sie seither. "Ich habe gedacht, die ganze Welt bricht zusammen. Aber sie hat ihren eigenen Kopf bewiesen", sagt Mutter Christina. Bis zum Schluss habe sie den Gedanken weggeschoben, dass sie Stéphanie werde gehen lassen müssen. "Ich kann schon loslassen, aber nicht so." Vom Bankenzentrum in die Sahelzone

Über das Telefon halten Mutter und Tochter Kontakt. Stéphanie berichtet regelmäßig über ihre Arbeit und Erlebnisse in Gorom-Gorom, einer kleinen Stadt im nördlichen Landesteil. Stéphanie, die in Luxemburg als Bankkauffrau arbeitete, wollte eine Karrierepause einlegen und sich für ein Jahr in der Entwicklungshilfe engagieren. Sie fand dafür eine französische Hilfsorganisation, die Action Solidaire Développement (ASD), die in Burkina Faso arbeitet. Burkina Faso ist etwa so groß wie die Bundesrepublik und verfügt über Gebiete mit subtropischem Klima, der Norden aber liegt in der trockenen und heißen Sahelzone. Durch immer wiederkehrende Dürren und Heuschreckenplagen leiden die Menschen dort Durst und Hunger, sind sehr arm. Etwa 87 Prozent der Bevölkerung sind Analphabeten. Die Berichte aus Afrika haben Christina Ursulet sehr berührt. Auch Fotos, die ihre Tochter schickte, haben ihr die schlimmen Schicksale der Menschen nahe gebracht. Die Aktivität, die ihre Tochter entwickelte, "hat auch mein ganzes Leben umgekrempelt", sagt Christina. Die karitative Ader scheint in der Familie Ursulet vererbt zu werden, wollte Christina doch früher bei den SOS-Kinderdörfern arbeiten. "Eigentlich geht Stéphanie jetzt den Weg, den ich früher auch gerne gegangen wäre", sagt ihre Mutter. Das versöhnt Christina mit dem mutigen Entschluss ihrer Tochter, denn "sie ist glücklich, das sehe ich und das höre ich, wenn wir telefonieren". Einziger Wermutstropfen: "Das ist ihr Leben. Sie wird es auch nach dem einen Jahr weitermachen." Stéphanie rief unter anderem ein eigenes Projekt ins Leben, um sofortige Hilfe zu leisten. Für 18 Euro monatlich will sie Patenkinder aus Gorom-Gorom vermitteln, ihre Mutter unterstützt bereits zwei Kinder. Schwester Vanessa und ihre Großmutter haben ebenfalls afrikanische Patenkinder, die dadurch in die Schule eingeschrieben werden können, eine Mahlzeit am Tag, medizinische Versorgung und Kleidung erhalten. Auch ihre Familien bekommen Unterstützung. "Ich muss die Kinder selbst sehen"

Christina koordiniert dieses Patenkinder-Projekt von Kernscheid aus, rührt die Werbetrommel für das Engagement ihrer Tochter, vermittelte 23 Kinder. In einem Nachbarort Goroms, Ménégou, versucht Stéphanie als zweites Projekt, Straßenkindern – zumeist Waisen – eine Identität durch eine Geburtsurkunde und eine Zukunft durch den Schulbesuch zu geben. "Meine Tochter macht etwas Gutes, da muss ich ihr Unterstützung geben", sagt Christina. Wie schlimm es in Gorom-Gorom sei, könne man sich nicht vorstellen, sagt Christina und schaut sich wieder und wieder stapelweise Fotos an. Anfang Juli will sie mit ihrer zweiten Tochter Vanessa nach Burkina Faso reisen, sich dort selbst ein Bild machen. "Ich muss das selbst sehen, muss die Kinder sehen. Das ist wie meine eigene Familie geworden, es sind alles meine Kinder, ich werde sie alle besuchen. Ich kann gar nicht mehr anders." Die Koffer und Taschen sind längst gepackt, gefüllt mit Geschenken für die armen Kinder aus Gorom-Gorom. Stéphanie Ursulet hat für Spenden ein Konto eingerichtet, Nummer 100617620 bei der Sparkasse Trier, BLZ 58550130. Informationen bei Christina Ursulet: Telefon 0651/ 17217.

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