Politik Verena Hubertz bei der SPD: Die Geschichte eines Aufstiegs (scheinbar) aus dem Nichts

Trier · Verena Hubertz sitzt seit 2021 im Bundestag und erhielt sofort große Aufgaben in Berlin. Wer in der Vergangenheit nicht sehr gut aufgepasst hat, was bei der SPD los ist, kann sich darüber wundern.

 Verena Hubertz vertritt im Bundestag den Wahlkreis Trier.

Verena Hubertz vertritt im Bundestag den Wahlkreis Trier.

Foto: TV/Katharina Fäßler

Wer einen flüchtigen Blick auf Verena Hubertz’ politische Karriere wirft, könnte meinen, es fehlen ein paar Seiten im Lebenslauf. In den Bundestag gewählt, sofort am Verhandlungstisch für die Ampel-Koalition und wenig später auch noch nominiert für den Vize-Fraktionsvorsitz. Und davor: eigentlich nicht viel, wenn man mit den üblichen Stationen vieler Abgeordneter vergleicht. Wo sich oft lange Jahre in zahlreichen Parteigremien und Gemeinderäten aneinanderreihen, bevor jemand die realistische Chance auf ein Bundestagsmandat erhält, sieht der politische Lebenslauf bei Verena Hubertz noch übersichtlich aus.

Um zu verstehen, warum die Zahl der Ämter für diese Karriere weniger wichtig war, muss man tiefer in den Lebenslauf der SPD-Politikerin blicken. Dort finden sich auch die möglichen Erfolgsrezepte für Hubertz’ Bundestagskampagne.

Bundestagswahl 2021: Verena Hubertz holt Direktmandat für die SPD in Trier

Anfang Mai 2021 stand fest, dass die SPD Verena Hubertz zur Direktkandidatin im Wahlkreis Trier macht. Das Votum kam nicht überraschend, war sie doch schon im vorherigen August nominiert worden. Doch in diesem Moment waren keine fünf Monate mehr Zeit für einen Wahlkampf, der in der Corona-Pandemie überall in Deutschland nur langsam Fahrt aufnahm.

Nur einmal war ein SPD-Kandidat zuvor für die Stadt Trier und den Kreis Trier-Saarburg direkt in den Bundestag eingezogen. Karl Diller schaffte es 1998 und 2002. Davor und danach waren die CDU-Kandidaten am Drücker. Umso bemerkenswerter war der deutliche Sieg, den Verena Hubertz am 26. September mit 33,0 Prozent der Stimmen einfahren konnte. Der Christdemokrat Andreas Steier, Wahlsieger von 2017, kam auf nur 27,7 Prozent. Nur durch den Aufwärtstrend der Sozialdemokraten wäre dieses Ergebnis schwer zu erklären. Es war ein großer Erfolg für die 33-Jährige, die zum ersten Mal angetreten ist. Doch darauf wäre es nicht einmal angekommen.

Für die SPD-Landesliste in Rheinland-Pfalz wurde die Trierer Kandidatin auf Platz 6 gewählt. Das alleine hätte ihr am Ende bereits problemlos den Einzug in den Bundestag gesichert. Es ist klar: Die SPD hat nicht nur in einem Wahlkreis mit niedrigen Erfolgsaussichten eine neue Kandidatin ausprobiert. Die Partei wollte Hubertz’ in Berlin, ob mit Direktmandat oder ohne.

Eine wichtige Geschichte im Wahlkampf: Wie Hubertz zur SPD kam

In der Region und darüber hinaus war sie keineswegs unbekannt. Als Unternehmerin hatte sie schon in jungen Jahren auf sich aufmerksam gemacht. Eine andere wichtige Geschichte, die im Wahlkampf eine Rolle spielte, war aber Hubertz’ Weg in die SPD.

Es war der Mindestlohn, der ihr wichtig war. So erzählte es die Kandidatin im Wahlkampf. Als sie zwischen 2006 und 2008 bei Burger King jobbte, konnte sie miterleben, was ein extrem niedriges Einkommen für die Betroffenen bedeutet. Es sei dann eine Wahlkampfrede von Frank-Walter Steinmeier in Trier gewesen, die Hubertz für die SPD begeistert hat. Der damalige Kanzlerkandidat fand beim Thema Mindestlohn ihre Zustimmung. Enttäuschend war für Hubertz, dass das Thema mit der gewählten Bundesregierung dann wieder vom Tisch war. Sie trat in die SPD ein, um das zu ändern. Das war 2010. Das Mindestlohngesetz kam schließlich 2014 und das ganz große Engagement bei den Sozialdemokraten folgte für die Konzerin schließlich drei Jahre später.

Im Eiltempo zu Koalitionsverhandlungen und Vize-Fraktionsvorsitz

Schon diese Episode zeigt, dass Hunbertz’ Karriere in der SPD keineswegs aus dem Nichts kam - auch wenn die großen Schritte auf dem Weg nach Berlin beeindruckend sind.

Als sich viel später im Jahr 2021 SPD, Grüne und FDP zu Koalitionsverhandlungen trafen, wartete bereits die erste große Aufgabe in Berlin: ein Platz in der Verhandlungsgruppe zum Thema „Moderner Staat und Demokratie“. Kaum im Bundestag angekommen, strickte Hubertz schon am Vertragswerk für die Ampel-Koalition mit. Am Tag der Kanzlerwahl wurde dann bekannt, dass sie eine der Vize-Frankionsvorsitzenden werden soll. Eine sehr zentrale Aufgabe in der Fraktion mit 206 Abgeordneten.

Von solchen Erfolgen konnte natürlich zunächst niemand etwas ahnen, bevor das politische Engagement begann.

Verena Hubertz privat: Jugend, Familie und Ausbildung

Der familiäre Hintergrund war für die Wahl der Partei vermutlich auch von Bedeutung. Zumindest seien ihr Zuhause die Werte vorgelebt worden, die sie später zur SPD brachten, erklärte Hubertz. Der Vater war Schlosser, die Mutter Gemeindereferentin. Als der Vater aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten musste, übernahm er stärker den Haushalt, während die Mutter die Hauptverdienerin war.

Nach der Schule entschied sich Verena Hubertz für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre in Trier. Sie startete an der Uni und machte schließlich an der Hochschule weiter. Nach dem Bachelor setze sie den Master drauf. Dafür zog es sie nach Koblenz an die WHU-Otto Beisheim School of Management.

Erfolg als Gründerin mit „Kitchen Stories“

Für die Zeit nach dem Studium gab es dann einen großen Plan. Zusammen mit ihrer Studienfreundin Mengting Gao hatte Hubertz vor, sich als Unternehmerin mit einer neuen App am Markt zu positionieren. Kochanleitungen aufs Handy bringen, einfach erklärt im Video. Das war die Idee, die später tatsächlich zum Erfolg wurde. Nur investieren wollte zunächst niemand in das Projekt.

Die zwei Gründerinnen organisierten sich also im privaten Umfeld das nötige Geld, um 2013 in Berlin „Kitchen Stories“ an den Start zu bringen. Nach einer Weile waren die Investoren sehr interessiert an dem Start-up. Sogar Apple-Chef Tim Cook schaute 2017 in der „Kitchen Stories“-Küche vorbei. Als Geschäftsführerinnen haben Verena Hubertz und Mengting Gao Millionen Nutzer für ihre App gewonnen.

Ihre Führungsposition bei Kitchen Stories gab Hubertz allerdings im Jahr 2020 auf, um später für die SPD bei der Bundestagswahl anzutreten. Die Prioritäten verschoben sich in Richtung Politik. Es wäre aber falsch zu behaupten, politisches Engagement hätte zuvor eine geringe Rolle gespielt.

Aktives Engagement in der SPD

Die wichtigsten Stationen in der SPD zählt Verena Hubertz wie folgt auf:

  • Kassenprüferin Ortsverein Trier Mitte-Gartenfeld (2011)
  • Mitinitiatorin von „SPD++“ (2017)
  • Beisitzerin im Vorstand SPD Alexanderplatz (2018-20)
  • Mitglied der organisationspolitischen Kommission des SPD-Parteivorstandes (seit 2019)
  • Mitglied der Programmkommission zur Landtagswahl Rheinland-Pfalz (2020)

Der wahrscheinlich wichtigste Punkt in dieser Liste ist außerhalb der SPD erklärungsbedürftig. Er verdeutlicht, wie Hubertz Weg in der Partei verlief.

Die Initiative „SPD++“ wurde geschaffen, um die Partei von innen heraus umzukrempeln. Und wenn man der Argumentation der Sozialdemokraten folgt, war das Projekt erfolgreich. „Ein Grundstein für den Erfolg der SPD bei der Bundestagswahl“, sei die Initiative gewesen, erklärt beispielsweise das Parteiorgan „Vorwärts“ im Oktober 2021. Aus dieser Perspektive heraus lag die SPD (auch in der eigenen Einschätzung) nach der Bundestagswahl 2017 am Boden. Vor diesem Hintergrund wurden die Vorschläge von „SPD++“ auf dem Parteitag desselben Jahres gut angenommen. Und Verena Hubertz war eines der prominenteren Gesichter hinter dem Projekt.

Sie gehörte 2017 zu den Gründern von „SPD++“, weil es aus ihrer Sicht zu schwierig war, mit neuen Ideen in der Partei Gehör zu finden. Zu den zentralen Zielen gehörte: Das Mitmachen müsse einfacher werden. Nach dem Einzug in den Bundestag kann Hubertz eine direkte Linie zu ihrer Kandidatur ziehen. Dem „Vorwärts“ sagt sie: „Meine Kandidatur verlief in genau so einem Bewerbungsprozess wie wir ihn uns als beteiligungsoffenen Weg vorstellen.“

Ein weiteres Detail erzählte sie in Interviews zur Bundestagswahl. Sie bemerkte, wie groß das Interesse an ihrer Person war, gerade weil sie die einzige junge Gründerin in den Reihen der Initiative war. Und der Betrachter merkt, dass in diesem Moment wohl schon sehr viel für eine große Zukunft in der Partei gesprochen hat.

Mit Instagram und Co.: Verena Hubertz bringt die Politik ins Internet

Aus beruflicher Sicht ist Verena Hubertz natürlich ein Profi darin, sich online zu vermarkten. Schon im Wahlkampf setzte sie stark auf die Kraft des Internets, arbeitete mit vielen Inhalten auf Plattformen wie Instagram und erreichte die Menschen auch dort, wo es viele andere Kandidatinnen und Kandidaten nicht schaffen. Im Bundestag ist ebenfalls Zeit für ein schnelles Bild mit prominenten Parteifreunden, das über Twitter ein Publikum findet. Es zeigt sich eine Begeisterung für das Thema Digitalisierung, das sie in ihren politischen Anliegen betont.

Erfolgreiche SPD-Frauen sind in der Region keine Seltenheit, wie Ministerpräsidentin Malu Dreyer und die frühere Trierer Direktkandidatin Katarina Barley, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, beweisen. Doch auch bei der Arbeit mit politischen Schwergewichten ging Hubertz einen eigenen Weg. Nicht nur die üblichen Wahlkampfauftritte standen auf dem Plan. Hubertz traf sich schon vor ihrer offiziellen Nominierung als Bundestagskandidatin mit der Regierungschefin des Landes zu einer kleinen Kochshow auf Facebook. Für solche Kitchen Stories wird in Berlin wohl weniger Zeit bleiben als zuvor.

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