Vollrausch am Vormittag

Es ist so weit. Endlich, endlich geht es los. Ich habe es Ihnen noch nie so direkt erzählt, aber unter uns: Ich bin zu 100 Prozent und von ganzem Herzen Jeck. Ich lebe für den Karneval. Und den Rest der Zeit trainiere ich für den Karneval.

Seit einem halben Jahr fiebere ich mit, wenn mein Kumpel Pitter seine Büttenrede probt. Ich drücke die Daumen, dass unsere Kapelle immer rechtzeitig merkt, wann sie einen Narhalla-Marsch spielen muss. Ich tanze mit im Männerballett. Und ich werde immer mächtig sauer, wenn mein Schwager irgendeinen Blödsinn faselt wie "Kappensitzungen sind ja nur Schunkel- und Saufgelage." Die Pappnase geht immer zum Lachen in den Keller und will mir was erzählen über Karneval. Aber er ist halt der Bruder meiner Bärbel, also steht er unter Tierschutz. Es gibt allerdings einen Tag, der macht mir zu schaffen: Weiberdonnerstag. Noch vor ein paar Jahren konnten sich gesetzte Jecken wie ich nicht vor die Tür trauen, denn der Hauptmarkt war fest in der Hand eines betrunkenen jungen Narrenvolkes. In dem Alter hätte ich früher noch nicht mal am Alkohol schnuppern dürfen. Mittlerweile gibt es ja strenge Kontrollen, die Polizei und die Männer und Frauen vom Ordnungsamt passen auf. Ich finde es schade, dass es solche Kontrollen überhaupt geben muss. Klar fließt an Karneval mal eine Porz Viez zu viel, aber Vollrausch am Vormittag - echte Jecken machen so was nicht. Die Kinder brauchen wohl Nachhilfe, wie man wirklich Fastnacht feiert.

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