Vom Wahl-Detzemer zum Ehrenbürger

Detzem · Der Detzemer Ehrenbürger Josef Hilgers feiert am heutigen Dienstag, 19. März, seinen 80. Geburtstag. 1956, im Alter von 23 Jahren, war der frisch examinierte Volksschullehrer in den Moselort gezogen. In den folgenden Jahrzehnten hat er das Leben in der Gemeinde Detzem sowohl als Lehrer, Kirchenmusiker und Chronist mitgeprägt.

 Umfangreiches Werk: Josef Hilgers zeigt dem Besucher die von ihm verfasste Detzemer Ortschronik. TV-Foto: Friedhelm Knopp

Umfangreiches Werk: Josef Hilgers zeigt dem Besucher die von ihm verfasste Detzemer Ortschronik. TV-Foto: Friedhelm Knopp

Detzem. Den Besuchern, die Josef Hilgers in sein Wohnzimmer führt, bietet sich hinter der breiten Fensterfront ein ungewohnter Anblick: ein Gartengelände in Hanglage mit kleinem Weinberg und weiter unterhalb die Mosel mit der Einfahrt zur Schleuse Detzem. "Bei uns fließt die Mosel bergauf in Richtung Trier", erklärt der Hausherr dem verblüfften Gast den Schleuseneffekt, der auf dem Hauptarm eine deutliche Gegenströmung erzeugt.Die Mosel als Einstieg in eine lockere Unterhaltung, die der 80-Jährige zu gestalten weiß. Nur bei einigen Details muss der Besucher hin und wieder zur gezielten Frage greifen, ansonsten reichen Stichworte. Und obwohl Hilgers schnell die Orte und Zeiträume wechselt, verliert der Zuhörer nie den "roten Faden".Ja, die Mosel, die hat er zeitlebens nicht aus dem Blick verloren - auch wenn er aus einem Forsthaus bei Dieblich bei Koblenz stammt. "Mein Vater war Förster, wie fast alle meine Vorfahren. Das reicht bei uns zurück bis ins 17. Jahrhundert", sagt der Jubilar und fügt hinzu: "Ich wusste aber schon als Kind, dass ich Lehrer werden wollte und eben nicht Förster."Vom Beruf des Vaters hat der Sohn ohnehin nichts erfahren: Als der Vater 1934 am neuen Wohnsitz in Kenn starb, war der jüngste Sohn noch im Säuglingsalter. Dazu gab es noch zwei ältere Brüder. "Dann geschah etwas, was für unsere Entwicklung ein Segen war", erklärt Hilgers. Der Großvater, bis dato Förster von Büdlicherbrück und Detzem, habe nach seiner Pensionierung die Vaterrolle übernommen. Der bald folgende Krieg ging auch an Familie Hilgers nicht vorbei: Der älteste Bruder meldete sich freiwillig zur Luftwaffe. Dann Ausbildung auf dem Feldflugplatz bei Bernkastel-Kues und 1944 ein letztes Treffen auf dem Bahnhof Wittlich-Wengerohr. "Es ist merkwürdig, wenn ich heute mal in diesen Bahnhof komme, hängt in den Räumen noch derselbe eindringliche Geruch wie damals", sagt der 80-Jährige.Erste Erfahrungen am HarmoniumDer Krieg als Vater aller Dinge? Für die musikalische Entwicklung des späteren Pädagogen trifft dies auf seltsame Weise zu. Hilgers: "Als Kind hatte ich einmal etwas Klavierunterricht, und so war mir die Tastatur vertraut. Als dann im Herbst 1944 die Alliierten näherrückten, wurden alle Schulen geschlossen und ich hatte als Junge viel Zeit. Da habe ich mich jeden Tag am Harmonium in der Kenner Kirche versucht, bis der Küster meinte, ich könne doch mal die Andacht spielen." Am 23. Februar 1945 begleitete er erstmals eine Andacht in Kenn, unterlegt vom näherrückenden Artilleriefeuer. "Der Krieg und meine musikalische Entwicklung, das ist schon ein paradoxer Zusammenhang, sagt der studierte Organist. Aufbau und Wandel prägten die 50er und 60er Jahre: Als er am 1. April 1956 nach dem Pädagogikstudium in Trier seine Lehrerstelle in Detzem antrat, entstand dort gerade die neue zweiklassige Volksschule mit je einer Klasse 1 bis 4 und 5 bis 8. Zusammen mit einer Kollegin unterrichtete er dort bis in die 60er Jahre, aber die Zeiten änderten sich. Hilgers: "Als Lehrer hat man damals gespürt, dass diese kleine Dorfschulform zum Tode verurteilt war. ,Mittelpunktschule\' und ,Schulzentrum\' hießen die Schlagworte." Tatsächlich dient der Schulbau heute als Kindergarten. Hilgers zog früh die Konsequenz und wechselte nach einem Zusatzstudium ins Realschulfach. Trier und Speicher waren die ersten Stationen als Realschullehrer, Konrektor und dann als Schulleiter - zuletzt 13 Jahre dieser Position in Bernkastel-Kues.Töchter sind aus dem Haus

Doch seinem Wohnort Detzem blieb Hilgers treu. Die Konsequenz sei ein jahrzehntelanges "Fahrlehrer-Dasein" gewesen, wie er ironisch meint. "Aber wo kriegen Sie in Trier eine derartige Wohnlage", sagt der Pensionär, dessen Frau Elfriede aus dem Ort stammt. Die beiden Töchter sind heute aus dem Haus, die ältere ist Staatsanwältin in Saarbrücken, die jüngere Sozialpädagogin am Trierer Annastift.Josef Hilgers und Detzem: Dazu gehören nicht nur die Erinnerungen älterer Detzemer ans Lesen- und Schreibenlernen. Josef Hilgers und Detzem, das ist auch der in den 50er Jahren von ihm initiierte gemischte Chor, der auf einen Männergesangverein zurückging, und da ist die Detzemer Ortschronik, sozusagen das Hauptwerk des Wahl-Detzemers. "Den Auftrag zu dem Buch habe ich mir selber gegeben, aber damit bis zur Pensionierung 1996 gewartet, den das ist eine sehr aufwendige Arbeit", sagt der Chronist. Lächelnd erinnert er sich an die Vorstellung des Projekts 1996, als "viele im Ort dachten, das Buch schon an Weihnachten verschenken zu können". Tatsächlich folgten fünf Jahre angestrengter Recherche, bis das sehr umfassende Werk 2001 fertiggestellt war. Hilgers: "So etwas muss auch für Laien gut lesbar sein und dennoch der wissenschaftlichen Überprüfung standhalten."Eine offizielle Geburtstagsfeier haben die Hilgers für den heutigen Dienstag nicht geplant, "aber wer kommen will, ist willkommen, da wird es einigen Betrieb in diesen Räumen geben", freut sich der Jubilar. In einer Feierstunde am Sonntag, 24. März, 17 Uhr, im Bürgerhaus Detzem wird der Kirchenchor Josef Hilgers zum Ehrendirigenten ernennen. Außerdem werden noch weiterer langjährige Chormitglieder geehrt.Extra

Lehrer in Detzem bis 1969. Nach Zusatzstudium Realschulen in Trier, Speicher und Bernkastel-Kues, ab 1978 bis zur Pensionierung 1996 Realschuldirektor. Musikalisches Wirken: von 1956 bis heute Organist und Kirchenchorleiter in Detzem. Noch in den 50er Jahren Initiative zur Anschaffung einer Kirchenorgel, Verleihung der Palestrina-Medaille an den Chor dank genauer Dokumentation der über 100-jährigen Chorgeschichte, Gründung eines Gemischten Chors und eines Kinderchors, 1961 bis 1995 Dirigent des MGV, Klavierlehrer in der Kreismusikschule. Sonstige Tätigkeiten: örtlicher Schriftführer bei Wahlen, Leitung des Volksbildungswerkes in Detzem und Vorstandsarbeit im Kreisvolksbildungswerk, Organisation eines Theaterkreises, Fotodokumentationen über das Leben im Dorf, Mitglied im Pfarrgemeinderat, 1991 Verfassung einer Schrift zur Pfarrgeschichte Detzem, wöchentliche Beiträge im Pfarrbrief, 2001 Veröffentlichung der Ortschronik Detzem. Hilgers ist Träger der Verdienstmedaille des Landes Rheinland-Pfalz, Ehrenbürger der Gemeinde Detzem und soll am heutigen Tag zum Ehrendirigenten des Kirchenchors ernannt werden. f.k.

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