Geschichte Als „der Amerikaner“ die Eifel durchquerte

Gelenberg · Maria Lenarz aus Gelenberg bei Kelberg war sieben Jahre alt, als im März 1945 „die Amis“ kamen. Ihre Erinnerungen daran und an andere Kriegserlebnisse stehen in der Dorfchronik.

 „Es war so schrecklich“: Zeitzeugin Maria Lenarz erinnert sich an den Krieg.

„Es war so schrecklich“: Zeitzeugin Maria Lenarz erinnert sich an den Krieg.

Foto: Brigitte Bettscheider

(bb) Obst, Gemüse und Fleisch wurden in der Kindheit von Maria Lenarz in „Weckgläsern“ haltbar gemacht. Gefriergeräte gab es ja noch nicht. Und mit solchen Einmachgläsern verbindet die heute 82-Jährige das Durchqueren der Eifel durch amerikanische Truppen auf ihrem Vormarsch zum Rhein und ins Reichsinnere, der dann das Ende des Krieges einleiten sollte.

  Maria Lenarz’ Vater Matthias Leif war im November 1943 an der russischen Front schwer verletzt worden und an den Folgen in einem Lazarett in Lemberg gestorben. „Unsere Mutter war sehr fleißig und kümmerte sich gut um uns“, erzählt Maria Lenarz über ihre Kindheit mit ihrem drei Jahre jüngeren Bruder. Schon seit Anfang März 1945 habe man in Gelenberg den Kanonendonner von der in Belgien liegenden Front gehört – „und alles sprach davon, dass ‚der Amerikaner’ kommt“. Deshalb habe sich ihre Mutter um den Vorrat im Keller gesorgt.

„Da hatte sie die Idee, im Holzschuppen hinter dem Haus eine Ecke frei zu räumen und die Gläser dort zu verstecken“, erinnert sich Maria Lenarz, als sei es gestern gewesen. „Wir bauten die Gläser mithilfe von Brettern übereinander auf und stapelten anschließend das Brennholz davor, so dass nichts mehr davon zu sehen war.“ Dennoch sei die Sorge um den Vorrat geblieben.

   Denn fast drei Wochen lagerten „die Amis“ in Gelenberg, bedienten sich für die Feldküche auf der Wiese hinter Maria Lenarz’ Elternhaus am Wasser aus dem Brunnen und am Feuerholz aus dem Schuppen. Doch schließlich waren die Soldaten weitergezogen. Sie hatten im Haus Leif wegen eines Funkgeräts ein Loch in einen Fensterrahmen geschnitten, hatten aus anderen Häusern Bettzeug und Möbel auf die Straße und einen ganzen geräucherten Schinken auf einen Misthaufen geworfen, hatten mit ihren Panzern die Dorfstraßen kaputt gefahren und überall Dreck und Verwüstung hinterlassen.

„Aber unsere Einmachgläser haben sie nicht entdeckt“, erinnert sich Maria Lenarz. Und weiß auch noch, dass einer der einquartierten Soldaten den Eimer, in dem Zucker für das Backen zu ihrer bevorstehenden Erstkommunionfeier  aufbewahrt wurde, die Kellertreppe hinuntergestoßen und den kostbaren Inhalt somit vernichtet hatte.

   Wie andernorts hatten auch die Gelenberger bei der Ankunft der amerikanischen Truppen aus Betttüchern gefertigte weiße Fahnen als Zeichen der Ergebung aus den Fenstern ihrer Häuser gehalten. Dann hatten die Menschen den Soldaten Platz machen müssen. Die Leifs und weitere Familien wurden in der Dorfschule untergebracht. Morgens und abends durften sie auf ihre Höfe zurückkehren und das Vieh versorgen.

  Zwei weitere Ereignisse aus dem Krieg haben sich besonders in Maria Lenarz’ Gedächtnis eingebrannt. Es ist die Erinnerung an ihren Vater, der an einer Kriegsverletzung gestorben war. Als Schwerverwundeter hatte er noch ein Telegramm nach Hause geschickt mit der Bitte, dass seine Ehefrau ihn im Lazarett besuchen möge.

So hatten sich Helena Leif und ihre Schwiegermutter Barbara umgehend Reisepapiere besorgt und sich mit dem Zug von Gerolstein aus über Köln, Leipzig, Bauzen, Krakau und Warschau auf die mehrtägige Fahrt nach Lemberg gemacht. Dort erhielten sie die Nachricht: „Matthias Leif ist letzte Nacht verstorben.“ Einziger Trost war, dass der Aufenthalt der Frauen um zwei Tage verlängert wurde, um an der Beerdigung teilzunehmen.

  Bis auf kleinste Details genau erinnert sich Maria Lenarz an den Heiligabend 1944, als die am Tag zuvor in Gelenberg einquartierten Soldaten von feindlichen Fliegern verfolgt und Bomben auf das Eifeldorf geworfen wurden. Das Nachbarhaus der Familie Leif wurde dabei völlig zerstört, die Bewohnerin Gertrud Peters verlor ihr Leben. Die siebenjährige Maria hatte deren Bauernhof erst in der Minute verlassen, bevor die Bombe darauf fiel.

Diese Erinnerung und Sätze wie „Ich weinte sehr“, „Es war so schrecklich“ und „Es waren traurige Weihnachten“ stehen in dem Bericht, den Maria Lenarz für die 2014 erschienene Chronik der Gemeinde mit knapp 100 Einwohnern über den 24. Dezember 1944 verfasst hat. Lenarz ist Mutter von zwei Kindern, zweifache Großmutter und inzwischen verwitwet, doch die Erinnerungen an die Kriegszeit sind geblieben.

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