Meine Wirtschaftswoche: Die Legende vom blauen Montag

Trier · Wenn man einer Umfrage von TNS-Emnid Glauben schenken kann, dann beabsichtigen fast drei Prozent der Arbeitnehmer im zweiten Halbjahr einige Tage blauzumachen, im Westen etwas weniger, im Osten Deutschlands etwas mehr. Weitere 1,9 Prozent sind unentschlossen.

Börsennews, Auftraggeber der Umfrage, hat daraus einen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 1,24 Milliarden Euro errechnet. Ist also das Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit (AU) ein Volkssport? Lohnfortzahlungsbetrug ist kein Kavaliersdelikt und risikoreich. Ungezählte Wirtschaftsdetektive bieten an, Simulanten zu überführen. Wer krankgeschrieben ist, aber gleichzeitig schwarz arbeitet und erwischt wird, muss mit der fristlosen Kündigung rechnen. Ein Massenphänomen, das sich vor allem am blauen Montag zeigt, ist das Blaumachen dennoch nicht. Emnid hatte nämlich als Grund für die beabsichtigten Fehltage psychische Probleme und Konflikte am Arbeitsplatz genannt. Psychische Probleme aber nehmen unter der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit zu. Grund sind immer höhere Leistungsforderungen und Zunahme von Mobbing. Den blauen Montag mag es als Kirmesspätfolge bei einigen geben, die häufigere AU-Meldung am Montag erklärt sich dadurch, dass sich am Montag alle am Wochenende erkrankten Arbeitnehmer arbeitsunfähig schreiben lassen. Teilt man die Meldungen durch drei, löst sich der blaue Montag in Luft auf. Die Deutschen sind kein Volk von Blaumachern, sondern haben eine hohe Arbeitsmoral. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Der Autor ist ehemaliger Chefredakteur des Handelsblatts und Buchautor. Diese und weitere TV-Kolumnen finden Sie auch im Internet auf www.volksfreund.de/kolumne.

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