Sport TV-Serie Spochtipedia: Rasenkraftsport - Das ist mehr als nur der Hammer!

Igel/Kinheim · Rasenkraftsport – der Name klingt alt und schon ein wenig martialisch. Beim Dreikampf aus Steinstoßen, Hammer- und Gewichtswurf heißt es aber nicht David gegen Goliath, denn vor dem Wettkampf geht es auf die Waage.

 Franz Pauly beim Steinstoßen. Foto: privat

Franz Pauly beim Steinstoßen. Foto: privat

 Heavy Metal: Franz Pauly und seine Sportgeräte (von links): Stein, Gewicht, Hammer. TV-Foto: Holger Teusch

Heavy Metal: Franz Pauly und seine Sportgeräte (von links): Stein, Gewicht, Hammer. TV-Foto: Holger Teusch

Es hörte sich martialisch an, was über Heinz Weis oder besser seine Sportart geschrieben wurde: Der altnordische Donnergott Thor habe seine fürchterliche Waffe, den Hammer Mjöllnir, gegen Trolle geschleudert und so besiegt. So begann vor 20 Jahren ein Artikel über den aus Leiwen stammenden Hammerwurf-Weltmeister von 1997 im Magazin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Man muss aber keine Germanenmythen bemühen, um zu rekonstruieren, dass die olympische Disziplin, aber auch Gewichtwurf und Steinstoßen, die hintereinander durchgeführt den Rasenkraftsport-Dreikampf bilden, zu den ältesten Sportarten überhaupt gehören dürften.

Das Werfen mit verschiedenen Geräten diente die längste Zeit der Menschheitsgeschichte "der Erhaltung und Verteidigung des Lebens", schrieb der 2002 verstorbene Trierer Hammerwurftrainer Ernst Klement. Unsere Vorfahren erlegten sich ihr Steak halt noch selbst, jagten mit Pfeil und Bogen, Speer, aber auch mit Wurfbeil, -stein oder -keule. Aus Irland stammen Legenden von hammerwurf-ähnlichen Wettkämpfen aus der Zeit von 1800 vor Christus. Im angelsächsischen Raum hat auch die moderne Art den Sport auszuüben seine Wurzeln. Daher die oft krummen metrischen Maße.

Ernst Klement war beim TV Germania Trier nicht nur sportlicher Ziehvater von Heinz Weis, sondern auch von Franz Pauly.
Auf dem Wurfplatz am Igeler Sportplatz, den sich der Polizist fürs Training hergerichtet hat, geht es aber idyllisch statt martialisch zu. Rechts warten die Trauben eines Weinbergs auf die Lese. In der nahen Mosel glitzert die Herbstsonne. Nur die Abdrücke, die der 7,26 Kilogramm (16 englische Pfund) schwere Hammer, das 12,5 Kilogramm schwere Gewicht und der 15 Kilogramm wiegende Stein in der Wiese hinterlassen, zeugen davon, dass die unter dem Begriff Rasenkraftsport zusammengefassten Disziplinen der Schwerathletik zugerechnet werden. Damit der Werfer (oder besser sein Wurfgerät) niemanden gefährdet, dreht er sich bei Hammer- und Gewichtswurf in einem 2,134 Meter (sieben englische Fuß) großen Betonkreis, umgeben von einem Schutznetz, um die eigene Achse. Nur durch eine 35,92 Grad große Öffnung können die Sportgeräte aus dem Käfig fliegen.

Franz Pauly gehört im Rasenkraftsport-Dreikampf zu den Besten Deutschlands. Im September gewann der 52-Jährige aus Igel bei den deutschen Seniorenmeisterschaften die Bronzemedaille bei den 50- bis 54-Jährigen in der Gewichtsklasse bis 87 Kilogramm. Den Hammer mit seinem 1,21 Meter langen Haltedraht samt Griff schleudert er mit vier Drehungen aus dem Käfig. Das Gewicht an der nur 50 Zentimeter langen Kette nur mit zwei. "Das Gewicht ist nicht nur fast doppelt so schwer, auch wegen des kurzen Hebels muss alles schneller gehen", erklärt Pauly. Sonst könnte man die Kräfte nicht bändigen.

Das Resultat: Während sein Hammer bei der DM fast 50 Meter weit flog (49,07), berührte das Gewicht am Ende nicht die 20-Meter-Markierung (19,33). Paulys Zitterdisziplin ist das Steinstoßen. 100 Euro koste das Sportgerät. "Dabei ist das ja eigentlich nur ein Stück Eisen", erklärt er. Der metallische Ziegelstein wird mit (geradem) Anlauf einarmig gestoßen. Nichts für den Drehstoßspezialisten: Nur 7,27 Meter kosteten ihn den Titel.<EA>Dagegen freute man sich bei der Familie Baum aus Kinheim (Kreis Bernkastel-Wittlich) im Frühjahr gerade in dieser Disziplin über DM-Gold, -Silber und -Bronze für die Töchter Angelina (Altersklasse U18, Leichtgewichtsklasse, Erste) und Leonie (U16, Leichtgewichtsklasse, Dritte) sowie Vater Wolfgang (M50, Mittelgewichtsklasse bis 87 Kilogramm, Zweiter). "Steinstoßen ist eine Mischung aus Speerwurf und Kugelstoßen", erklärt Vater Wolfgang Baum die Technik, mit der die bis zu 15 Kilogramm schweren Steine in Bewegung gebracht werden. Nach bis zu 20 Meter Anlauf erfolgt der Stoß ähnlich wie beim Kugelstoßen.

Wenn man so hohe Gewichte beschleunige, müsse man aber gut aufpassen, dass man sich vor dem Balken, der die Abwurflinie markiert, abfängt. Gewichtsklassen machen den Rasenkraftsport für leichtgewichtige Werfer interessant. "Das ist natürlich gut für mich", sagt Pauly lachend. Mit kaum 80 Kilogramm Körpergewicht, damit war und ist Pauly unter den Hammerwerfern ein Hänfling, ohne Chancen gegen Riesen wie Heinz Weis (125 Kilogramm Wettkampfgewicht).

Denn neben einer guten Technik hilft auch seine eigene Masse dem Sportler, die bei der Rotation entstehenden Fliehkräfte des Sportgeräts im Zaum zu halten. "Man braucht die Masse, aber auch die Rückenmuskulatur zum Gegenhalten", erklärt Pauly. Was ihm als Leichtgewicht mittlerweile auch zugutekommt: Ab 50 Jahren reduzieren sich die Gewichte auf sechs (Hammer) und zehn Kilogramm (Gewicht und Stein). Selbst über 80-Jährige messen sich noch im Wettkampf. Sie müssen nur noch jeweils drei Kilogramm werfen und stoßen.

INFO

Ein Wettkampf, drei Sieger, vier Versuche

(teu) Beim Rasenkraftsport werden nicht nur die Titel im Dreikampf vergeben, sondern gleichzeitig auch die im Steinstoßen und Gewichtswurf. Nur im Hammerwurf als olympischer Disziplin darf sich der Beste nicht deutscher Meister nennen. Diese Regelung gilt, damit es nicht zwei Titelträger gibt. Der deutsche Meister im Hammerwurf wird bei den Meisterschaften des Leichtathletik-Verbands geehrt. Nur zwischen 1927 und 1933 vergaben Rasenkraftsportler und Leichtathleten parallel deutsche Meistertitel im Rasenkraftsport.

Rasenkraftsport- und Tauziehverband: 1891 gründete sich in Duisburg der Deutsche Athleten-Verband, unter dessen Dach sich um die Jahrhundertwende der Rasenkraftsport entwickelte. Nach dem Ersten Weltkrieg ging die zwischenzeitlich in Deutscher Reichsverband für Athletik aufgegangene Vereinigung in den Deutschen Kraftsportverband über. Nach der Gleichschaltung der Sportverbände während der NS-Herrschaft fanden die Rasenkraftsportler genauso wie Ringer, Gewichtheber und Tauziehen zwischen 1949 und 1971 in der Bundesrepublik ihre Heimat im Deutschen Athleten-Bund als Dachverband der Schwerathleten. Als Gewichtheber und Ringer eigene Verbände gründeten, zogen auch die Rasenkraftsportler nach und nahmen 1996 Tauziehen unter ihr Dach.

Rasenkraftsport in der Region
(teu) Der Igeler Franz Pauly, der allerdings aus alter Verbundenheit für Phoenix Mutterstadt startet und die Familie Baum beim SFG Bernkastel-Kues sind momentan die einzigen, die in der Region Trier Rasenkraftsport betreiben. Viele Erfolge feierten jahrelang die Hammerwerfer der TG Konz auch im Rasenkraftsport. Der für viele Medaillen verantwortliche Wurftrainer Siegfried Wegener hat seine Ambitionen aus zeitlichen Gründen momentan aber zurückgefahren. In der olympischen Disziplin Hammerwerfen war die Region Trier über Jahrzehnte hinweg spitze: Da war der Weltmeistertitel für den Leiwener Heinz Weis nur ein Höhepunkt. Der Konzer Karl-Hans Riehm gehörte in den 70ern und 80ern zur absoluten Weltspitze. Er stellte mehrere Weltrekorde auf und gewann unter anderem Olympia-Silber 1984 in Los Angeles. Edwin Klein, ebenfalls gebürtiger Konzer, wurde zweimal Deutscher Meister. Bei den Olympischen Spielen 1972 in München wurde er Siebter.

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