FUSSBALL: "Haben die keine Männer mehr?"

BLANKENRATH. Schiedsrichter sind oft alleine. Nicole Justen sogar noch ein bisschen mehr als ihre männlichen Kollegen. Die 34-Jährige ist die einzige Frau an der Pfeife im Fußballkreis Mosel.

Die dummen Sprüche und verdutzten Blicke kennt Nicole Justen nun schon zur Genüge: "Hast du gesehen, der Schiedsrichter ist 'ne Frau." Solche Aussagen sind für Justen auf den Fußballplätzen an der Mosel, in der Eifel und im Hunsrück Alltag. Die einzige Unparteiische im Spielkreis Mosel weiß, auf welche Vorurteile sie treffen kann. Ihr Lieblingsspruch dieser Art ist: "Warum schicken die denn jetzt Frauen? Haben die keine Männer mehr?" Natürlich sind Justens männliche Kollegen nicht ausgestorben. Aber wenn es nach der Beamtin beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden (Abteilung Kunstkriminalität) ginge, müssten viel mehr Frauen pfeifen - und auch Fußball spielen. "Ein Mal habe ich gepfiffen, als ein Mädel dabei war", sagt sie mit Wehmut. "Ich denke, das Interesse ist nicht da. Außer Salmrohr haben wir in unserem Kreis auch keine Damenmannschaft", erklärt der Schiedsrichteransetzer Kornelius Schäfer, weshalb Justen die einzige Schiedsrichterin in seinem Kreis ist. Erst vor drei Jahren wagte Justen den Schritt zur Schiedsrichterin: "Mein Freund wollte mich nicht drängen", widerspricht sie Vermutungen, sie habe ihrem Lebensgefährten Konrad Stephan einen Gefallen getan. Der ist nämlich Vorsitzender des SV Blankenrath und natürlich interessiert daran, das Vereinssoll an Schiedsrichtern zu erfüllen. Aber erst auf mehrmaliges Nachfragen Justens meldete Stephan seine Freundin zum Lehrgang an. Dann kamen die kleinen Probleme, die schon vor jeder Partie anfangen. Bei der Passkontrolle ist Justen anders als ihre Kollegen auf einen Betreuer angewiesen: "Ich kann nicht einfach in die Kabine reingehen." Auf dem Platz hört sie dann oft das Getuschel, "weil eine Frau pfeift" - gerade bei ihren Geschlechtsgenossinnen. Ihr Herz bibbere zwar nicht mehr so heftig, wie beim ersten Spiel (D-Jugend in Traben-Trarbach), es gibt aber immer Situationen, die Justens Puls schneller werden lassen. "Schlimm ist es für mich, wenn ich das Gefühl habe, ich habe eine Fehlentscheidung getroffen", sagt sie. Aber darüber dürfe man nicht nachdenken. Um in jeder Situation den Durchblick zu behalten, sollte jeder Schiedsrichter auf Ballhöhe sein. "Man unterbindet Diskussionen", sagt Justen, die eine erstaunliche Erfahrung gemacht hat, seit sie auch in der B-Klasse pfeift: "Vom läuferischen ist C- manchmal sogar schwerer als B-Klasse." Ein Problem sei die Grundschnelligkeit, da Männer von Natur aus schneller sind als Frauen. Irgendwann Spiele in der A-Klasse zu leiten, ist Nicole Justens Ziel. Dafür würde sie auch gerne als Schiedsrichterassistentin in höheren Spielklassen Erfahrungen sammeln. Bei der jüngsten Leistungsüberprüfung der Schiedsrichter hat Justen nach Auskunft von Schäfer den Regel- und Fitnesstest bestanden. Damit stehe Justen grundsätzlich auch die A-Klasse offen. "Man muss aber bedenken, dass sie erst seit diesem Jahr B-Klasse pfeift", sagt der Schiedsrichteransetzter. Ob sich in dem Haus in Blankenrath außer Freund Konrad Stephan noch jemand freut, wenn Nicole Justen in die höhere Spielklasse aufsteigen sollte, ist zu bezweifeln. Justens Katze heißt zwar wie der Italiener Pierluigi Collina, der als weltbester Schiedsrichter gilt. Schwarz und mit großen Augen hat Katze Collina aber wenig mit Fußball im Sinn. Lieber wacht sie darüber, dass Hund Cocker keine Ungerechtigkeit widerfährt - und da ist dann doch die Seelenverwandtschaft mit ihrem Frauchen.

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