Intimes und Dreckiges

ST. VITH. Der Rausch ist ausgeschlafen, die Stimme wiederhergestellt und der Müllberg weggeräumt. Was bleibt vom Open-Air-Festival Alive in St. Vith? Überraschendes, Dreckiges und Süßes.

SCHLAMMSCHLACHT: An den ersten beiden Tagen hielt die Festivalwiese der massiven Belastung durch trampelnde Füße und Regen noch irgendwie stand. Am dritten Tag verwandelte sich das satte Grün endgültig in eine braune Masse. Wohl dem, der Gummistiefel dabei hatte. Drei unerschrockene Freunde tauchten komplett in den Schlamm ein und liefen fortan mit der perfekten Tarnung über den Platz.UFOS: Neuer belgischer Nationalsport ist das Werfen von Getränkehaltern aus Pappe. Wie die guten alten Frisbee-Scheiben flogen die gelochten Tragehilfen über die Köpfe der Fans und auch schon mal auf die Bühne. Sängerin Judith Holofernes von Wir sind Helden schützte sich spontan mit einem weißen DRK-Helm.SPRINGTANZ: Beim Auftritt von H-Blockx brachen bei den Pogo-Fans alle Dämme. Im Rambo-Stil wurde ausgeteilt und ebenso kräftig eingesteckt. Die Knochen der harten Jungs blieben überraschenderweise heil, was nicht zuletzt dem matschigen Boden zu verdanken war.WUNDERTÜTE: Für fünf Euro bekamen Camper ein Paket mit Mülltüten, T-Shirt, Zeitschrift, Programmheft, Schokoriegel, Shampoo-Probe und Ohrstöpseln. Plastik-Regencapes verschmähten die meisten - ein echter Fan wird auch mal nass."Denkmal" weckt erstarrte Fans auf

MÜDE HELDEN: Zum Festival-Finale quälten Wir sind Helden die nach einem langen Wochenende ohnehin ausgepowerten Fans mit einem halbstündigen Hit-Embargo. Weniger bekannte Balladen ließen viele erstarren. Erst als sich das andächtige Zuhören in gelangweilte Privatgespräche verwandelte, riss die Band die Menschen aus der Lethargie - passenderweise mit dem Song "Denkmal".ERDKUNDE: Mit dem Standort St. Vith beschäftigte sich jeder Künstler auf seine Weise. Das Letzte Einhorn alias Mischa Rhein von In Extremo ("Wir sind eine ehrliche, dreckige Bande") verriet leichte Orientierungsprobleme: "Als ich heute aus dem Bus ausstieg, wusste ich nicht, wo ich bin." Silbermond-Sängerin Stefanie Kloß malte sich die Antwort sicherheitshalber auf den linken Arm. Auch Silbermond-Gitarrist Thomas Stolle machte sich Gedanken: "Hier sind viele Wiesen, aber wo sind eigentlich die Kühe?" Die Toten Ärzte fanden ihr Gastspiel in Ostbelgien naheliegend: "Wir treten oft in der Pfalz auf." Aha.EISBRECHER: Steffi Kloß passte die Sitzordnung beim Interview-Termin überhaupt nicht: "Das ist so unpersönlich. Kommt doch näher ran!" Die 19-Jährige war erst zufrieden, als sich Band und Reporter direkt gegenüber saßen. Auch ihre drei Jungs hat sie im Griff, die auf Anfrage prompt eine Ehrenerklärung abgaben: "Eine Zicke ist Stefanie absolut nicht."WUNSCHLISTE: Was die Bands an Catering und technischer Ausstattung vom Veranstalter verlangen, listen sie in so genannten Ridern auf. Faustregel: Je prominenter die Band, desto dicker der Rider. "Wir sind eine pflegeleichte Band. Im Tomatensaft müssen nicht 3,4 Gramm Pfeffer drin sein", scherzte Das Letzte Einhorn. "Die Bands legen Wert auf saubere Umkleideräume mit Möbeln und einen abgeschotteten Vip-Bereich, wo sie in Ruhe essen und trinken können", berichtete Mitorganisator Pascal Arimond. Juli-Sängerin Eva Briegel bekam als Vegetarierin entsprechende Speisen. Alle Sängerinnen schwören auf ein Wundermittel für die kostbaren Stimmbänder: Fencheltee mit Honig. Na denn: Prost!

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