KOLUMNE

Sechs Uhr abends, Nudeln fliegen durch die Luft. "Wenn Du nicht sofort damit aufhörst, ist das Sandmännchen gestorben!" Schockzustand bei meinem Dreijährigen. Oh je, was hab ich nur gesagt! "Nnneeeiiiinnnn!

Das Sandmännchen soll nicht sterben!", jammert mein Sohn. Ich beeile mich zu erklären, dass das Sandmännchen ja nicht wirklich stirbt, ich nur ein Fernsehverbot ausspreche, wenn das Abendessen weiter derart rustikal verläuft. Doch meinem Sohn steht die Angst in den Augen. Immer wieder muss ich ihm versichern, dass das knuffige Wesen, das jeden Abend in einem anderen Gefährt mit Schlafsand im Säckchen die Kinder besucht, keinesfalls auf immer verloren ist. Da hilft nur der Beweis, und so flimmert der Gutenachtbringer aus DDR-Bestand wie immer ab zehn vor sieben über den Bildschirm. Doch damit nicht genug der Sprachverwirrung. Während der Ältere gebannt das Sandmännchen verfolgt und sich seiner Lebendigkeit versichert, schraubt sein kleiner Bruder an der Stereoanlage herum. "Lass das, sonst gibt die Anlage noch den Geist auf", ermahne ich den Dreikäsehoch. Er versteht nur "Geist" und aktiviert die Anfänge seines Sprechvermögens: Mit "Hu-Huuu" auf den Lippen und hochgereckten Armen stolpert er auf seinen Bruder zu und versperrt ihm die Sicht auf den geliebten Sandmann. Ein gezielter Schubs, und das kleine Gespenst liegt schreiend am Boden. Wörter-Kettenreaktion. Mit welch ungeahnten Folgen Kinder Wörter anders deuten als beabsichtigt, zeigte sich auch an Karneval. Da hatten wir dem Dreijährigen versprochen, uns "den Zug" anzuschauen... Keinen Gedanken verschwendeten wir daran, welche Hoffnungen wir damit zerstören könnten. Der Kleine liebt Züge - doch wie uns klar wurde, denkt er dabei nur an Eisenbahnen. Immer und immer wieder fragte er angesichts der maskierten Jecken, die da die Straße entlangzogen: "Wo ist denn der Zug, Mama, wo ist denn der Zug?" Auch das typische Gebäck der Fastnacht, die "Mäuschen", konnten ihn da nicht von seinen verpatzten Erwartungen ablenken: "Schau mal, die Oma hat Mäuschen gebacken", sagte ich und hielt ich ihm die duftenden Teigwaren unter die Nase. Sein ungläubiger Blick nahm vorweg, was kommen musste: "Kann man Mäuse essen?"Sybille Schönhofen In unserer Kolumne "Familienbande" glossieren wechselnde Autoren den familiären Alltag.

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