Die Leichtigkeit des Seins

Weinsheim · In der Niederlassung der Firma Stihl in Weinsheim (Eifelkreis Bitburg-Prüm) dreht sich alles um das Leichtmetall Magnesium. Das Druckgusswerk liefert ultraleichte Bauteile daraus an die Konzernzentrale in Waiblingen bei Stuttgart, aber auch an Abnehmer in aller Welt.

Drei exakt gleich große, massive Metallwürfel liegen auf dem Schreibtisch des Werkleiters der Firma Stihl, Gerhard Eder. "Stahl, Aluminium und Magnesium", sagt Eder. "Und jetzt vergleichen Sie einmal das Gewicht." Der leichteste gewinnt: Im Gegensatz zu Stahl und Aluminium wirkt der handliche Würfel aus Magnesium, als wäre er hohl.

Die Bauteile für Maschinen und Kraftfahrzeuge, die in Weins heim im Druckgussverfahren daraus hergestellt werden, zeichnen sich nicht nur durch ihr geringes Gewicht und ihre dennoch hohe Stabilität aus. Das dünnwandig gegossene Leichtmetall überträgt Vibrationen kaum. Dadurch verhindert es allzu große Geräusch entwicklung im Fahrzeug inneren oder am Gerät.

Stihl setzt seit Jahrzehnten auf Magnesiumlegierungen. Das bekannteste Produkt des deutschen Familienunternehmens, die Motorsäge, gilt weltweit als Standard. Wer jemals harte Waldarbeit verrichtet hat, weiß eine leichte, aber kraftvolle Säge zu schätzen. "Die Stihl-Kettensäge macht 50 Prozent des Umsatzes des Unternehmens aus", sagt Gerhard Eder.

Der Stammsitz in Waiblingen wird täglich mit Bauteilen beliefert - dort montieren Mitarbeiter die unzähligen Geräte, die Stihl im Katalog führt. Motorsägen und -sensen, Heckenscheren, Erdbohrgeräte, Trennschleifer und Reinigungs geräte gehören zum Sortiment, genauso wie die Gartengeräte des Unternehmens Viking, das zur Stihl Gruppe gehört. Sämtliche Druckgussteile dafür stammen aus dem Weinsheimer Werk. Mehr als 600 Mitarbeiter verarbeiten hier jährlich 6500 Tonnen des Erdalkalimetalls.

"Seit seiner Gründung 1971 wird das Werk fortwährend erweitert, modernisiert und weiterentwickelt", sagt Eder.

Umweltschutz bringt Auflagen mit sich



In den vergangenen Jahren seien zahlreiche konkurrierende Magnesium-Druckgusswerke stillgelegt worden: "Bei einigen war die Produktion wegen der hohen Umweltschutzauflagen einfach nicht mehr rentabel. Andere waren nicht in der Lage, das Material zu recyceln oder auf Innovationen zu setzen. Auf Umweltschutz und Recycling haben wir in Weinsheim immer größten Wert gelegt", erzählt der Werkleiter. "Und um äußerste Präzision der Teile zu erreichen, bauen wir uns unser eigenes Werkzeug. Alle Fertigungssysteme wurden von Stihl entwickelt."

Auf dem Weg hinab von der Chefetage zur Fabrikhalle ist es beeindruckend still. Doch sobald sich die schwere Tür zum Werk öffnet, ist die Geräuschkulisse der metallverarbeitenden Industrie unverkennbar: "Auch das zählt für uns zum Umweltschutz", sagt Eder in das allgegenwärtige Stampfen, Sägen und Zischen hinein. Die Halle liege nur etwa 800 Meter Luftlinie von Weins heims Ortsteil Gondelsheim entfernt. "Hier wurde viel investiert, um Geräuschbelästigung der Nachbarn zu vermeiden", berichtet er.

In der Gießerei sind 20 Druckgussmaschinen im Einsatz. Sie arbeiten voll automatisch im Warm- und Kaltkammerguss. Hier sind Roboter im Einsatz, die die frisch gepressten Teile den Gussformen entnehmen, kühlen, schleifen und auf den schnell wachsenden Berg bereits fertiger Erzeugnisse legen. Die Geschwindigkeit der Produktion ist atemberaubend. Im Sekundentakt landen die dünnwandigen Bauteile in den Kartons. Magnesiumabfall, der beim Schleifen entsteht, wird aufgefangen und wieder dem Schmelzofen zugeführt. Andere ausgediente Magnesiumteile werden bei rund 700 Grad eingeschmolzen und in Barrenform gegossen.

Im Untergeschoss lagern die aufwendig hergestellten Gussformen von circa 670 verschiedenen Bauteilen. Auch die Autoindustrie setzt seit langem auf Magnesium. Gussformen für Mittelkonsolen, Zylinderkopfhauben, Lenkschutzrohre und viele weitere Autoteile namhafter Hersteller wie BMW, Porsche und Mercedes-Benz liegen in den Regalen.

Die bisher größte in Weins heim entwickelte Gussform für das Cockpit des Smart befindet sich darunter. Sie steht aufgrund ihres enormen Gewichts von 8,4 Tonnen auf dem Hallenboden. 356 000 Euro ist die Form wert. "Das ist unsere Schatzkammer", sagt Gerhard Eder und zeigt auf die langen Regalreihen. "Der Wert dieser Gussformen lässt sich nicht beziffern." Für den Werkleiter steht fest, was der Konstruktionswerkstoff des 21. Jahrhunderts ist: "Magnesium ist leicht und dabei äußerst stabil, mechanisch hervorragend zu bearbeiten und fast unbegrenzt recyclingfähig", sagt Eder. Eigenschaften, denen das Leichtmetall seine weltweite Karriere verdankt.

DAS UNTERNEHMEN



2011 erreichte die Stihl Gruppe nach eigenen Angaben ein Wachstum von 10,8 Prozent. Der Umsatz betrug rund 2,6 Milliarden Euro. Das 1926 von Andreas Stihl in Stuttgart gegründete Unternehmen beschäftigt heute weltweit 12 000 Mitarbeiter in 160 Ländern. Die Stihl Gruppe ist ein global player - der weltweite Markt anteil ihrer Erzeugnisse liegt in ihrer Branche bei 32 Prozent. Das Magnesium-Druckgusswerk in Weinsheim (Eifelkreis Bitburg-Prüm) hat 610 Beschäftigte und gilt mittlerweile als das größte seiner Art in Europa. Stihl nimmt in Weinsheim jährlich zwölf Auszubildende auf und hat dort eine eigene Entwicklungsabteilung für Maschinen und Werkzeuge, die in der Produktion zum Einsatz kommen. Dafür investiert das Werk etwa sieben Millionen Euro in jedem Jahr. Stihl Weinsheim zahlt jährlich rund 43 Millionen Euro an Gehältern aus. Werkleiter Gerhard Eder ist Vorsitzender des Industrie- und Dienstleistungsverbands Rheinland-Rheinhessen e.V. und Präsident des Bundesverbands der Deutschen Gießerei-Industrie (BDG).

DAS MATERIAL



Die technische Erzeugung von Magnesium begann 1857 in Frankreich. Das Leichtmetall kommt in der Natur wegen seiner Reak tionsfreudigkeit nicht als Element vor. Als Mineral tritt es in Form von Carbonat, Silikat, Chlorid und Sulfat auf. Als Dolomit ist ein Magnesiummineral auch gebirgsbildend wie in den Dolomiten (Ostalpen). Magnesium schmilzt bei 650 Grad Celsius. Bei Zimmertemperatur hat es eine Dichte von 1,738 Gramm pro Kubikzentimeter. now/red

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