Deutschland bleibt Deutschland

Es ist unerfindlich, warum Angela Merkel das Verfassungsgerichtsurteil zum EU-Lissabon-Vertrag als "guten Tag für Europa" qualifiziert hat.

 Werner Kolhoff.

Werner Kolhoff.

Foto: Iris Maurer

Sicher, wer nur bis zur nächsten Hürde denkt, der ist zufrieden damit, dass nur ein kleines Begleitgesetz noch zu ändern ist und Deutschland dann die Urkunde ratifizieren kann.

Doch das Gericht hat in seiner Begründung Maßstäbe gesetzt, die das europäische Geschäft in Zukunft nicht einfacher machen werden. Schon jetzt ist der europäische Einigungsprozess von zwei Seiten unter Druck.

Einmal sind da die Egoismen der Regierungen, die mit jedem neuen Mitgliedsland zugenommen haben. Immer ist da einer, der etwas blockiert oder verzögert. Gerade daraus will sich die EU mit dem Lissabon-Vertrag ja ein wenig befreien.

Und auf der anderen Seite sind da die Rechte der nationalen Parlamente, die Karlsruhe nun für Deutschland noch weiter stärkt. Das Verfassungsgericht sagt praktisch nur: Ihr könnt "Lissabon" gerne machen, aber das letzte Wort hat der Bundestag. Karlsruhe fordert von den Volksvertretern die konsequente Anwendung der eigenen Souveränitätsrechte, denn die EU könne nie mehr als ein "abgeleiteter Verbund souveräner Staaten" sein.

Zudem hat das Urteil im Nachhinein all jene bestätigt, die vor drei Wochen nicht zur Europawahl gegangen sind, weil sie das europäische Parlament als nicht so bedeutsam empfinden. Die Straßburger Vertretung entspreche nicht den üblichen demokratischen Maßstäben und müsse es auch gar nicht, da sie sowieso nur "sekundäre" Aufgaben habe, sagten die Richter.

Der Gesamttenor des Urteils also lautet: Deutschland bleibt Deutschland, die EU ist auch in Zukunft ein freiwillig Ding, das man jederzeit wieder verlassen können muss. Nicht so wichtig. Diese Botschaften aus dem größten und stärksten Mitgliedsland werden europaweit Schule machen und überall jene bestärken, die nationale Identitäten und Zuständigkeiten nicht oder nicht so schnell abgeben wollen.

Auf der anderen Seite aber gibt es den globalen Markt, den Euro und auch die Mobilität und Offenheit der jungen Generation.

Es besteht durchaus die Gefahr, dass diese nachwachsenden Generationen ihre Identifikation bald nirgendwo mehr finden werden, weder in einer so kompliziert bleibenden EU noch in den für sie immer unwichtiger werdenden Nationalstaaten. Für alle Zeiten kann dieses Urteil deshalb nicht das letzte Wort gewesen sein.

nachrichten.red@volksfreund.de

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