Merkel unter Druck

Die Kanzlerin ist nicht zu beneiden. Ihre Dauerfehde mit Horst Seehofer über die Flüchtlingspolitik schien leidlich befriedet.

Doch mit der schrecklichen Bluttat in Berlin, deren Umstände immer noch weitgehend im Dunkeln liegen, ist der Konflikt zwischen den beiden Widersachern nun mit umso größerer Wucht zurückgekehrt.
Seehofer stellt die "gesamte Zuwanderungs- und Sicherheitspolitik" infrage. Das mag moderater klingen als die unsägliche Parole der AfD ("Es sind Merkels Tote"), aber die Stoßrichtung ist dieselbe: Die Kanzlerin und ihre Flüchtlingspolitik sind schuld, wenn es irgendwo in Deutschland knallt. Früher waren unsichere Zeiten häufig ein Konjunkturprogramm für die jeweilige Bundesregierung. Das hat sich geändert. Wenn Bundesinnenminister Thomas de Maizière nun zur Besonnenheit mahnt und dafür plädiert, erst einmal die Fakten auszuleuchten, dann gilt das offenbar nicht mehr nur bei der AfD als Verweichlichung. Sondern auch bei der CSU. Dabei weiß die Union, dass es mit Merkel und deren Flüchtlingspolitik sicher schwer wird. Aber ohne Merkel geht gar nichts. Also müssten die beiden Schwesterparteien eigentlich fest zusammenstehen, anstatt sich zu zerstreiten. Innerparteilicher Zoff hat jedenfalls noch in keinem Wahlkampf für Pluspunkte gesorgt. Vor der Bundestagswahl 2017 wird noch über die Landesparlamente im Saarland sowie in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen abgestimmt. Sollte Seehofer mit dem Konflikt nur spielen, so hat er weniger Zeit, als er denkt, um ihn wieder beizulegen. So macht er die AfD womöglich schon beim Start ins Wahljahr stark und gefährdet am Ende die gemeinsame Kanzlerschaft von CDU und CSU im Herbst.
nachrichten.red@volksfreund.de

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