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Politik

 Im eigenen Netz gefangen: Kanzlerin Merkel. Karikatur: Roland Grundheber

Im eigenen Netz gefangen: Kanzlerin Merkel. Karikatur: Roland Grundheber

Foto: (g_leser

Zur Berichterstattung über die gescheiterten Jamaika-Verhandlungen in Berlin:
Alles fließt, nichts bleibt gleich. Wenn es für die Demokratie überhaupt eine prägnante Charakterisierung geben kann, dann diese!
Angela Merkel hat die Panta-rhei-Welle mit ihrer pragmatisch-reaktiven Politik lange Jahre mehr oder weniger erfolgreich, manchmal haarscharf und grenzwertig geritten. Nun ist sie - und mit ihr die verantwortlichen Parteioberen - an eine Machbarkeitsgrenze gestoßen. Das bedeutet aber nicht, dass nichts mehr geht. Veränderte Realitäten verlangen neue Überlegungen, neue Entscheidungen, durch vorschnelle Festlegungen dürfen demokratische Parteien ihren Handlungsspielraum nicht einengen. Das gehört zum Übernehmen von Verantwortung.
Wähler wählen nicht Koalitionen, sondern Parteien, die ihren politischen Erwartungen am nächsten kommen, Politiker und ihre Parteien sind beauftragt, mit dem Wahlergebnis zum Wohl der Gemeinschaft umzugehen.
Demokratischen Gegebenheiten Rechnung tragen heißt auch, persönliche und Partei-Interessen hintanzustellen. Wenn Merkel und Schulz eine Koalition für unmöglich halten, sollten sie anderen aus ihren Reihen, die neue Ideen und Lösungsansätze mitbringen, Platz machen.
Allemal ist das aktuelle Problempaket mächtig dick geworden, verlangt frische, neue Kräfte.
Peter Grasmück
Taben-Rodt

Was wäre das für eine Regierung geworden? Wochenlang wurde vor und hinter den Kulissen gekungelt, geschachert, gemauschelt und gerempelt. Um wohin zu kommen? Niemand weiß es. Am allerwenigsten die Person, die eine wenigstens ungefähre Zielvorgabe hätte machen müssen - die Kanzlerin. Die war ja selbst nach dem für sie blamablen Wahlergebnis noch tief überzeugt, nichts ändern zu müssen. Es wurden wichtige Themen rauf und runter verhandelt. Der Klimaschutz, die Flüchtlingsfrage, die Sicherheit und was noch alles.
Das Wichtigste dagegen wurde kaum bis gar nicht besprochen; die Situation vieler deutscher Bürger angesichts mieser Arbeits- und Lohnverhältnisse, Ausbeutung durch skrupellose Unternehmer, kümmerliche Renten im Alter und himmelschreiende Ungerechtigkeit, was das Zahlen von Steuern der Großkonzerne angeht. Die Menschen sind zutiefst unzufrieden darüber, dass im wirtschaftlich stärksten Land Europas Zustände herrschen, die schlicht verboten gehören. Das hätten die Themen dieser sogenannten Volksvertreter sein müssen.
Dass ausgerechnet die Partei der Steuertrickser und des sozialen Kahlschlags die Sondierungen zum Scheitern brachte, dürfte die einzige logische Konsequenz der ganzen Veranstaltung gewesen sein. Nach der SPD ist die FDP nun schon die zweite Partei, die sich freiwillig in die Opposition begibt. Da fragt man sich schon, warum sie sich denn überhaupt hat wählen lassen.
Peter Trauden
Heilbach

Jamaika - hätte man es nicht schon an den Farben erkennen können? Schwarz stand für das Trauerspiel der Parteien, die wiederum Inhalte ihrer Wahlaussagen vergessen hatten, Parteiprogramme neu interpretierten und um jeden Preis Pfründe sichern wollten - auf Biegen und Brechen.
Grün deutete auf die Hoffnung der Klientelpolitik, dass die faulen Kompromisse über eine lange Legislaturperiode Bestand haben könnten und nicht so abrupt den eigenen Marotten zum Opfer fallen würden.
Gelb symbolisierte die Missgunst der Ohnmächtigen, der schon so oft das Wohl der Gesellschaft zum Opfer fiel, wie es August Daniel von Binzer im Lied "Wir hatten gebauet ein stattliches Haus" bereits vor 200 Jahren beschrieben hat. Dort heißt es in der siebten Strophe: "Das Band ist zerschnitten, / war Schwarz, Rot und Gold, / und Gott hat es gelitten, / wer weiß, was er gewollt!"
Hans-Peter Lorang
Neuhütten

Wer wundert sich, dass die FDP die Jamaika-Verhandlungen platzen ließ? Diese Partei übt sich seit Erich Mende über Genscher und Westerwelle in der Tradition, Absprachen zu brechen und Koalitionspartner zu verraten, wenn sie sich davon einen Vorteil verspricht. Die Hoffnung, dass die Auszeit der FDP geholfen hat, Vertragstreue zu entwickeln, hat sich als trügerisch erwiesen.
Reinhold Otto
Waldrach

Ich habe herzlich gelacht, als ich zum ersten Mal den Begriff "atmender Rahmen" als Synonym für das vermaledeite Wort "Obergrenze" vernommen habe. Welch pathetische Metapher! Wie verzweifelt müssen die Spitzenpolitiker der Grünen sein, ihrem Wunsch, an der Regierung teilhaben zu dürfen, näherzukommen. "Variabler" Rahmen hätte es auch getan; zwar ist dieser Begriff genauso opportunistisch, er hat aber weniger das Potenzial zur Lächerlichkeit.
Günter Richter
Konz

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