Theater

Zum Artikel "Ein Fest für Augen und Fantasie" (TV vom 14. Oktober):

Tanztheater oder Laufsteg? Oder was? Da war ich mir nach den ersten 30 Minuten der anderthalb Stunden dauernden Vertanzung der Winterreise von Schubert in der Bearbeitung für Orchester von Hans Zender nicht mehr so sicher. Die Bühne als Laufsteg für die Tänzer, denen es trotz großer Bemühung mit dem sich ständig wiederholenden, sehr beschränkten Bewegungspotenzial nur selten gelang, eine Verbindung zu den einzelnen Liedern Wilhelm Müllers herzustellen, viel weniger denn eine Lebensreise zu beschreiben, die tatsächlich oder auch nur in der Fantasie des Reisenden stattfindet und möglicherweise mit dem Tod endet. In dieser Choreographie liefen Tanz, Orchester und Gesang als sich nie überschneidende Parallelen den ganzen Abend nebeneinander her. Das Thema ist zeitlos - solange es Menschen gibt, gibt es Leid, gibt es Sehnsucht und den Wunsch nach, ebenso wie die Furcht vor Liebe. Schuberts Liederzyklus ist zwar nicht für das Tanztheater konzipiert, aber mit viel Feingefühl der Bewegung, klarer Konstellation der Personen und Personifikationen sowie einem minimalen Aufwand an Bühnendekoration und vor allem an Kostümen machbar. Dann steht und fällt alles mit der Qualität des Tanzes - aber das sollte es doch, denn wir sprechen ja von Tanztheater, oder? Die Einblendungen von Straßenszenen der Ärmsten der Armen überall in der Welt wirkten fast peinlich. Was sollte das hier? Wäre der Weg des Protagonisten mit dem Ziel, seinem Leben einen Sinn zu geben, nicht genug gewesen? Auch auf der Bühne gilt in den meisten Fällen die gute alte Regel: Weniger ist mehr. Dass diese Aufführung ein Fest für Augen und Fantasie gewesen sein soll, so der Rezensent, kann ich leider nicht nachvollziehen. Nach 45 Minuten konnte ich mich aufgrund der ständigen Wiederholungen und dem Aufmarsch an Kostümen nicht mehr auf den Ablauf auf der Bühne konzentrieren. Der Sänger kam hier als Rettung: Stoisch, aber trotzdem mit viel Eleganz und Bühnenpräsenz rettete er für mich den ansonsten enttäuschenden Abend. Eine enorme Leistung, fast unzumutbar ohne Pause. Gabriele Schaefer, Bernkastel-Kues

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