Musikgeschichte Am Anfang reines Handwerk

Eine Festschrift dokumentiert die 250-jährige Geschichte des Musikverlags Schott in Mainz. Bald danach wird er für den Druck von Noten weltbekannt.

 Bernhard Schott

Bernhard Schott

Foto: Schott-Musikverlag

Am Anfang war es reines Handwerk. Im Jahr 1768, mit gerade mal 20 Jahren, gibt Bernhard Schott (Foto: Schott-Musikverlag) in einem Rundbrief bekannt, dass er sich mit einer Werkstatt für Kupferstich und Notendruck in Mainz niedergelassen hat. Aber der junge Kupferstecher war nicht nur ein begabter Handwerker. Es kam etwas Entscheidendes dazu: die Liebe zur Musik. Zwei Jahre nach seinem Start eröffnet er einen Musikverlag. Einem potenziellen Kunden schreibt er: „Werther Herr, In vierzehn Tagen werde ich meinen ersten Katalog in Ihre Hände legen.“ Und dann, fast im Befehlston: „Bitte notieren Sie das Datum!“ Was damals so selbstbewusst und doch bescheiden begann, hat sich längst zu einer Einrichtung entwickelt, die selber ein Stück Musikhistorie ist. In diesem Jahr besteht die „Schott Music Group“ 250 Jahre.

Eine großzügige, reich illustrierte Festschrift schildert die Geschichte des Verlagshauses. Sie zeigt Höhen und Tiefen, Gelingen und Misslingen und spiegelt in der Verbindung von musikalischen, wirtschaftlichen und politischen Aspekten die Felder, die für den Verlag immer von größter Bedeutung waren. Die Herausgeber Susanne Gilles-Kircher, Hildegard Hogen und Rainer Mohrs halten sich bescheiden im Hintergrund, und überhaupt das gesamte Autorenteam bleibt unauffällig. Herausgeber und Autoren lassen Bilder und Texte sprechen – in einer in Kapiteln aufgeteilten Chronologie und in großzügigen Ergänzungskapiteln, die historische Einsichten vertiefen und weitere Aspekte einbringen.

Bernhard Schott behielt trotz seines allzu entschiedenen Auftritts Augenmaß für das Realisierbare. Er verkaufte zunächst Noten für den Mainzer Kurfürstlichen Hof und daneben für ein lokal begrenztes Publikum – publizierte aber immerhin eine Klaviersonate und Lieder des Trierer Domherrn Fritz von Dalberg. Und es ist spannend zu verfolgen, wie beim jungen Musikalienhändler und seinen ins Geschäft eingestiegenen Söhnen professionelle Routine und Selbstsicherheit allmählich zunehmen. Als Schott 1785 den Klavierauszug zu Mozarts „Entführung‘“ und einige Jahre später den zu „Don Giovanni“ veröffentlichte, bewegte sich der Verlag schon auf den Höhen der damaligen Musikkultur. Angesehene Komponisten wie Clementi, Dittersdorf, Hoffmeister, Grétry, Pleyel und sogar Haydn und Mozart finden sich im Programm von 1800. Zugleich suchten die Söhne des 1809 verstorbenen Firmengründers, Andreas und Johann Joseph Schott, nach neuen Technikern der Noten-Reproduktion. Sie begannen mit dem Musikinstrumentenbau. Schott expandierte. In Antwerpen, Paris, London, Brüssel, sogar in Sidney wurden Filialen gegründet. Nicht immer mit Erfolg. Aber das hat die Schott-Familie, die unter Insidern längst „Die Schotten“ heißt, nur angespornt zu neuen Ideen, neuen Initiativen. Und als die Unternehmensführung durch eine Testamentsverfügung an Ludwig Strecker überging, verstärkte sich noch die enge Verzahnung aus kommerziellen und künstlerischen Ambitionen.

Höhepunkte in der Verlagsgeschichte waren die Zusammenarbeit mit Beethoven und, später, Richard Wagner. Die Kooperation mit Beethoven war Erneuerung einer Zusammenarbeit, die bis 1791 zurückreicht. Damals druckte Schott Beethovens Variationen über eine Ariette von Vincenzo Righini (WoO 65). Jetzt haben Schotts Ambitionen ein anderes Format. Beethovens Spätwerke, darunter die „Missa solemnis“ und die „Neunte“ erscheinen im Mainzer Verlag. Die Zusammenarbeit mit Wagner allerdings erwies sich immer wieder als „wirtschaftliche Herausforderung“. Wagner war stets in Geldnot, dabei übergenau und griff beim Klavierauszug zum „Rheingold“ sogar ein in die Gestaltung der Titelseite. Er fand aber im damaligen Verleger Franz Schott einen weitsichtigen und flexiblen Partner. Nach Übersendung und Druck der Partitur zum „Rheingold“ (1859) brachte Schott alle vier bis fünf Jahre ein Wagner-Musikdrama im Klavierauszug heraus, später auch als Partitur. 1882 erscheint schließlich der „Parsifal“, Wagners letztes Werk und die erste Wagner-Publikation des neuen Schott-Verlegers Ludwig Strecker. Durch die Zusammenarbeit mit dem Bayreuther Meister hatte der Verlag eine Position im deutschen Musikleben erreicht, die ihm so rasch niemand streitig machte.

Die Verlagsgeschichte geht mit Wagner selbstverständlich nicht zu Ende. Schott arbeitet unter anderem mit Hindemith, Strawinsky und Carl Orff zusammen. Schritt für Schritt entwickelt sich dazu in der Festschrift die historische Darstellung zu einem Porträt des aktuellen Verlags – der „Schott Music Group“. Unter dem Titel „Das Verlagsprogramm der Gegenwart“ stellen die Schott-Autoren die Fachabteilungen vor: „Concert Opera Media Division“ für Oper und Konzert, Zeitschriften, Musikpädagogik, Musikwissenschaft, Rock- Pop Jazz.

Auch in der zeitgenössischen Musik engagiert sich Schott. Paul Hindemith, von den Nazis verfemt, bleibt bei Schott, Aribert Reimann, Krzysztof Penderecki, György Ligeti und viele andere kommen nach dem Krieg dazu. Nicht zuletzt fördert Schott junge Komponisten. So ist der in Trier aufgewachsene Berliner Komponist Christian Jost (*1963) mittlerweile lange Jahre mit Schott verbunden.

250 Jahre Schott – diese Festschrift ist eine Momentaufnahme. Sie wurde abgeschlossen, bevor durch das Corona-Virus eine neue Situation entstand. Die Pandemie stellt  auch Schott vor schwierige Herausforderungen (der TV berichtete). Martin Möller

Susanne Gilles-Kircher, Hildegard Hogen, Rainer Mohrs (Hrsg): Die Schott Music Group. 250 Jahre Verlagsgeschichte. 144 Seiten, Schott-Verlag Mainz, 25 Euro.

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