Abschied trotz bester Beurteilungen

Der Polarisierer Thilo Sarrazin hat auch die Bundesbank in Misskredit gebracht. Seine Vorstandskollegen wollen ihn deshalb loswerden. Bei Hans-Helmut Kotz war dies anders. Der 53-jährige Eifeler musste im April als Vorstand ausscheiden, obwohl der Bundesbankchef den weltweit anerkannten Finanzexperten gerne behalten hätte.

Trier. Carl-Ludwig Thiele ist ein netter und fleißiger Mann. Der gelernte Anwalt saß für die FDP 20 Jahre im Bundestag, brachte es dort immerhin bis zum stellvertretenden Fraktionsvize, bis er im Mai dieses Jahres auf einen der sechs Vorstandsstühle bei der Bundesbank wechselte. Die Personalie sorgte in Finanzkreisen für reichlich Verwunderung. Der FDP-Mann habe zwar Ahnung von der Finanz- und Steuerpolitik, "aber reicht das, um zum Bundesbankvorstand aufzusteigen?", fragte ungläubig die "Financial Times". Das "Manager Magazin" bezeichnete Thiele gar als "Hinterbänkler, dessen Qualifikation für den hochkomplexen Bundesbank-Job weitgehend im Dunkeln bleibt". Der Freidemokrat habe den Posten nur bekommen, weil Parteichef Guido Westerwelle ihn "gerne aus dem Weg haben wollte", trat jüngst noch der "Kölner Stadtanzeiger" nach.

Carl-Ludwig Thiele gilt bei den Kritikern als ein Musterbeispiel für die Besetzungspolitik bei der Bundesbank. Nicht die fähigsten Leute werden von Bundesregierung oder Bundesrat für die Vorstandsposten nominiert (siehe Hintergrund), sondern mehr oder weniger verdiente Parteipolitiker, für die ein neuer Job gefunden werden muss. Schon ist von der Zentralbank als einer "Resterampe für personelle Altlasten" die Rede.

Umso unverständlicher, dass für dieses Bäumchen-wechsel-dich-Spiel ausgerechnet ausgewiesene Fachleute ihren Stuhl räumen müssen - etwa Ex-Vorstandsmitglied Hans-Helmut Kotz. Der aus Röhl bei Bitburg stammende promovierte Volkswirt war im Bundesbankvorstand zuständig für die Finanzmarktstabilität, gilt als Vordenker in Sachen Bankenregulierung und Bankenaufsicht.

Der 53-jährige Kotz hat seinen Chef, Bundesbankpräsident Axel Weber, bei vielen wichtigen internationalen Konferenzen vertreten, führte die Verhandlungen mit anderen Zentralbanken. Nur allzu gerne, sagen Insider, hätte Weber seinen "Außenminister" Kotz behalten, der sich auch als Berater von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) schon einen Namen gemacht hatte.

Aber mit dem Wechsel der Bundesregierung im vergangenen Jahr wurde auch das Ende der Bundesbank-Ära Kotz eingeläutet. Der seinerzeit vom SPD-regierten Niedersachsen nominierte Eifeler hatte keine Chancen mehr, seine 2010 auslaufende Amtszeit etwa mit einem neuen Ticket der Bundesregierung verlängert zu bekommen. Die Fahrkarte löste FDP-Chef Westerwelle für Carl-Ludwig Thiele.

Hans-Helmut Kotz ist jetzt unter anderem Dozent an mehreren Hochschulen, darunter der renommierten Harvard-Universität. Die Bundesregierung kündigte gestern an, am Auswahlverfahren für die Bundesbank-Spitze vorerst nicht rütteln zu wollen.

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