Bundesrichter stoppen Lauschangriff

KARLSRUHE. (dpa/win) Der große Lauschangriff verletzt in seiner geltenden Form die Menschenwürde und ist deshalb im Wesentlichen verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

Nach dem Urteil vom Mittwoch muss die 1998 eingeführte akustische Überwachung von Wohnungen an deutlich strengere Voraussetzungen geknüpft werden. Dem Gesetzgeber bleibt eine Frist zur Neuregelung bis 30. Juni 2005. Der Erste Senat ließ zwar die Grundgesetzänderung unbeanstandet, mit der nach jahrelanger Diskussion eine parteiübergreifende Mehrheit dem Lauschangriff den Weg geebnet hatte. Dessen Umsetzung in der Strafprozessordnung ist aber zum großen Teil verfassungswidrig. Nach den Worten der Richter schützt die Garantie der Menschenwürde einen "Kernbereich privater Lebensgestaltung”, in den der Staat nicht eingreifen darf. "Dem Einzelnen soll das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, gerade in seinen eigenen Wohnräumen gesichert sein”, sagte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier. Die Richter beschränkten daher den Katalog von Straftaten, bei deren Verfolgung das elektronische Abhören zulässig sein soll. Das Urteil hat vermutlich auch Auswirkungen auf das neue rheinland-pfälzische Polizeigesetz (POG), das erst Mitte Februar vom Landtag verabschiedet wurde. Das Innenministerium schloss auf TV -Anfrage nicht aus, dass "Anpassungen” des Gesetzes notwendig werden. Der Sprecher verwies jedoch darauf, dass sich der Richterspruch in erster Linie auf die Strafverfolgung beziehe, während sich der Große Lauschangriff im POG vor allem die Gefahrenabwehr betreffe. Justizminister Herbert Mertin (FDP) verwies darauf, dass die Wohnraumüberwachung ohnehin überschätzt worden sei. Der Große Lauschangriff ist nach seinen Angaben in Rheinland-Pfalz seit 1998 nur in sechs Fällen eingesetzt worden. Die Grünen fordern, das POG auf den Prüfstand zu stellen. Nach dem neuen Landesgesetz könne nicht nur der Große Lauschangriff vorbeugend eingesetzt werden. Auch die verdachtsunabhängige Videoüberwachung von Wohnungen werde möglich. Dies seien noch tiefere Einschnitte in die Privatsphäre und widerspreche dem Urteil, so die Grünen-Abgeordnete Friedel Grützmacher. BERICHT,

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