"Das Konjunkturklima wird rauer"

Berlin · Die Opel-Produktion in Bochum steht vor dem Aus, ThyssenKrupp macht Milliardenverluste. Sind das nur Einzelfälle oder Vorboten einer handfesten Wirtschaftskrise?

Berlin. Über einige grundlegende Fakten und Entwicklungstendenzen der deutschen Wirtschaft sprach unser Korrespondent Stefan Vetter mit dem Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie (IMK), Gustav Horn:
Herr Horn, wie ökonomisch stark ist Deutschland noch?
Gustav Horn: Seit Jahresmitte ist unübersehbar, dass das Konjunkturklima in Deutschland rauer wird.
Auch wenn es sich bei Opel und ThyssenKrupp zum Teil um Managementfehler handelt, so steckt die gesamte Exportindustrie derzeit in einer schwierigen Situation. Wenn auch sicher in unterschiedlichem Ausmaß.
Welche Bereiche sind gefährdet?
Horn: Nicht nur die Auto- und die Stahlbranche sind sehr exportorientiert. Dazu zählt sicher auch der Maschinenbau. Klar ist, dass die europäischen Krisenländer als Exportmärkte weitgehend ausfallen. Die Lieferungen dorthin gehen zum Teil dramatisch zurück.
Mittlerweile befindet sich praktisch der gesamte Euro-Raum in einer Rezession. Dabei gehen noch immer etwa 40 Prozent der deutschen Güter dorthin. Das ist eine schwere Hypothek.
Nach den neuesten Daten sind die deutschen Exporte insgesamt aber sogar noch leicht gestiegen.
Horn: Das stimmt. Deutschland kann im Unterschied zu den meisten Euro-Ländern immer noch ein leichtes Wachstum vorweisen. Das verdanken wir erstens einem relativ stabilen inländischen Verbrauch, weil sich die Einkommen spürbar erhöht haben, und zweitens der Tatsache, dass die deutsche Exportstruktur bis Asien und Amerika reicht. Das hat uns bislang gerettet.
Opel durfte sich auf Geheiß des Mutterkonzerns GM nur auf Europa konzentrieren. War das das Todesurteil für den Autobauer in Bochum?
Horn: Grundsätzlich gilt: Wenn sich ein exportorientiertes Unternehmen nur auf wenige oder gar einen Markt konzentriert, dann ist auch die Risikoanfälligkeit entsprechend höher. Opel bekommt das jetzt mit voller Wucht zu spüren, weil praktisch ganz Südeuropa in der Krise steckt.
Das heißt, nur wer auch in Asien oder Amerika mitmischt, ist heute international gut aufgestellt?
Horn: Ich würde sagen, nur wer sich differenziert aufstellt, ist vor Krisen besser geschützt. Natürlich kann auch Asien in eine Krise geraten. Dann hätten jene Unternehmen, die sich darauf konzentrieren, ein Problem. Im Moment sind die Märkte dort allerdings noch sehr dynamisch.
Was kann die Bundesregierung zur Eindämmung der Krisen-Symptome tun?
Horn: Die zentrale Ursache der gegenwärtigen Schwäche liegt in Europa. Die Krise ist gewissermaßen hausgemacht. Es ist der Sparkurs in den Krisenländern, durch den es zu einem rasanten Einbruch der Nachfrage kam. Die Bundesregierung hat maßgeblich an der Etablierung dieses Kurses mitgewirkt.
Und was folgt daraus für Sie?
Horn: Eine Abkehr von diesem harten Austeritätskurs (Sparkurs - d. Red.) und eine Stabilisierung der Nachfrage im Euro-Raum wären von großem Vorteil für die deutsche Exportwirtschaft. Hier muss die Bundesregierung endlich umdenken, denn der Sparkurs ist gescheitert. Im Grundsatz gilt: Man kann von Deutschland insgesamt keine sehr starke Wirtschaftsentwicklung erwarten, solange sich der Euro-Raum in der Rezession befindet.
Würden Sie staatliche Rettungshilfen etwa für die deutsche Autobranche befürworten?
Horn: Wir brauchen keine Rettungspakete für einzelne Branchen. Notwendig ist eine Stimulierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage im Euro-Raum. Dann ergibt sich der Rest von selbst. vet

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