"Die Gas-Speicher sind gut gefüllt"

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos rechnet trotz des anhaltenden Gas-Streits zwischen Russland und der Ukraine nicht mit unmittelbar steigenden Preisen für die Verbraucher. Das macht der Minister im Gespräch mit unserer Zeitung deutlich.

Berlin. Der deutsche Wirtschaftsminister beruhigt die Verbraucher: Die Auseinandersetzungen zwischen Russland und der Ukraine werden sich nach seiner Darstellung nicht auf die deutschen Verbraucher auswirken. Zugleich forderte er die Ukraine und Russland auf, rasch zu einer Einigung zu kommen. Mit Minister Glos sprach unser Korrespondent Hagen Strauß.

Herr Minister, weite Teile Europas erhalten wegen des Streits zwischen Moskau und Kiew kein Gas mehr. Wie sicher ist die Versorgung Deutschlands?

Glos: Ich erwarte, dass die Gasversorgungsunternehmen ihrer Verantwortung nachkommen und die Versorgung ihrer Kunden sicherstellen. Russland ist schließlich nicht das einzige Land, aus dem Deutschland Gas bezieht. Nur rund 36 Prozent des deutschen Gasverbrauches kommen aus Russland und davon nicht alles über die betroffene ukrainische Leitung. Gleichzeitig zeigen die aktuellen Vorkommnisse, wie wichtig es ist, dass wir weiter daran arbeiten, Deutschland noch unabhängiger von einzelnen Energielieferanten und -trägern zu machen.

Aber deutsche Versorger klagen bereits über Engpässe.

Glos: Es ist klar, dass Russland und die Ukraine im Interesse der Gasverbraucher in ganz Europa, rasch zu einer Einigung kommen müssen. Das gilt aber auch im wohlverstandenen Eigeninteresse, denn nicht geliefertes Gas kann schließlich auch nicht bezahlt werden.

Wie lange reichen die hiesigen Reserven?

Glos: Die Gasspeicher in Deutschland sind gut gefüllt und decken rund 25 Prozent des durchschnittlichen Jahresverbrauches ab. Es muss sich also noch niemand fürchten, dass er im Winter frieren wird.

Welche Auswirkungen hat der Streit auf den Gaspreis?

Glos: Die Bürger müssen nicht unmittelbar mit höheren Belastungen rechnen, denn die Gasversorger arbeiten auf der Basis langfristiger Lieferverträge. Zudem ist der Gaspreis an die Entwicklung des Ölpreises gekoppelt. Demnach wird er daher in den nächsten Wochen tendenziell eher zurückgehen.

Sie haben sich mit dem stellvertretenden Gazprom-Chef Alexander Medwedew getroffen. Ist Russland noch ein verlässlicher Partner?

Glos: Russland und Deutschland schauen auf eine lange Lieferbeziehung zurück, die selbst zur Zeit des Kalten Krieges reibungslos funktionierte. Russland und die Ukraine haben daher bislang zu Recht einen guten Ruf als verlässliche Geschäftspartner. Wenn sie die Verhandlungen schnell wieder aufnehmen und ihre vertraglichen Pflichten erfüllen, werden sie diesen Ruf auch nicht verlieren.

Der Gas-Streit eskaliert jedes Jahr aufs Neue. Was kann Europa tun, um dies zu verhindern?

Glos: Russland und die Ukraine sollten zu einer nachhaltigen Lösung des Problems kommen. Ein Ansatz wäre ein mehrjähriger Vertrag, in dem nachvollziehbar alle wichtigen Punkte wie Gaspreise, Transitmengen und -gebühren geregelt sind. Deutschland auf der anderen Seite muss sich weiterhin bemühen, eine Diversifizierung der Bezugsquellen und Transport-Routen für Öl und Gas zu erreichen. Dies fördert den Wettbewerb und mindert die Risiken. Meine Bemühungen richten sich seit Beginn meiner Amtszeit genau auf diesen Punkt.

Muss die Umsetzung der geplanten Ostsee-Pipeline und der europäischen Nabucco-Leitung vom Kaspischen Meer nach Österreich forciert werden?

Glos: Die Nord-Stream- wie auch die Nabucco-Pipeline sind privatwirtschaftliche Investitionsprojekte. Die Investitionsentscheidungen haben die Konsortien und nicht die Bundesregierung zu treffen. Aber es ist klar, dass die Regierung beide Pipelines als zentrale Projekte zur zukünftigen Sicherung der europäischen und deutschen Gasversorgung unterstützt. Diejenigen EU-Staaten, die zum Beispiel bei der Nord-Stream wiederholt Kritik geäußert haben, fordern wir zu konstruktiven Gesprächen mit allen Beteiligten auf. Auch bei der Nabucco-Pipeline gibt es noch viele offene Fragen, aber ich bin zuversichtlich, dass beide Vorhaben wichtige Beiträge zur Versorgungssicherheit in Deutschland leisten können.

Extra

Die Stadtwerke Trier (SWT) versorgen in der Region 22 000 Haushalte mit Gas. Zum Versorgungsgebiet gehören neben Trier unter anderen Konz, Schweich, Bitburg, Wittlich und Bernkastel-Kues. Die SWT-Kunden müssen sich nach Aussage von Vertriebsleiter Matthias Sommer keine Sorgen um ihre Versorgung machen. Derzeit liefen die Importe problemlos. "Deutschland bezieht nicht nur aus Russland, sondern aus verschiedenen Förderländern Erdgas. Das wichtigste Lieferland neben Russland ist Norwegen." Außerdem würden die national gelagerten Reserven für mindestens drei Monate ausreichen. Laut Sommer verfügen die SWT selbst "nur über eine geringe Reserve." (hw)

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