Nach Hahn-Debakel - Klöckner: "Zeigen Sie jetzt einen Rest von Anstand und Ehre und treten Sie zurück."

Mainz · Die Ampelkoalition steht zu Malu Dreyer, die Opposition will ihr das Vertrauen entziehen: In der Debatte zum Misstrauensvotum gegen die Ministerpräsidentin ging es heiß zur Sache. Auch wegen einer deutlichen Forderung des FDP-Fraktionschefs.

Mainz. Wenige Minuten, nachdem die Landtagsdebatte um die politische Zukunft von Malu Dreyer beendet ist, schreitet SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer zu der Ministerpräsidentin. Der 2,06-Meter-Hüne umarmt Dreyer herzlich, Thomas Roth (FDP) und Bernhard Braun (Grüne) reichen ihr die Hand. Symbolisch übt sich die Koalition schon mal im Schulterschluss. Bevor der Landtag am Donnerstag über das Misstrauensvotum gegen Malu Dreyer abstimmt, wollen sie noch im Plenarsaal deutlich signalisieren: Uns kriegt keiner klein.Das große Aber


Spannend bleibt es dagegen, wie es auch in den Wochen nach dem Votum weitergeht. Die Frage, wer am gescheiterten Verkauf des Flughafens Hahn an den chinesischen Käufer SYT die Verantwortung trägt, bleibt unverhohlen im Raum stehen.

Mit FDP-Fraktionschef Thomas Roth setzt ein Ampelpartner die Landesregierung mit seinen Worten zugleich deutlich unter Druck. Er verlangt Aufklärung, wer den geplatzten Verkauf des Flughafens Hahn an den chinesischen Bieter SYT zu tragen hat. Und sagt ohne Schnörkel: "Wenn Fehler einzelnen Personen zuzuweisen sind, muss das Konsequenzen haben."

Das wirkt wie ein Angriff auf das zuständige Innenministerium, in dessen Händen der Hahnverkauf liegt. Minister Roger Lewentz, um den es an diesem Tag deutlich seltener geht als um Dreyer, verfolgt die Debatte still und senkt den Blick auf den Tisch. Lob äußert Roth dafür, dass das Ministerium schnell Strafanzeige gegen SYT gestellt habe. Konsequenzen erwartet er auch für das Unternehmen KPMG, das den chinesischen Bieter auf Herz und Nieren prüfen sollte, ehe eine offenbar gefälschte Bankbescheinigung den Deal endgültig platzen ließ.

"Nach dem Nürburgring bin ich nie davon ausgegangen, dass das Land in einen Verkaufsprozess geht, ohne jeden Stein fünfmal umzudrehen und fünfmal umdrehen zu lassen." Anders als beim Nürburgring habe das Land nun kein Geld verloren, sagt Roth. Er wolle aber Fakten sehen.

"Auch in einem Gerichtsverfahren hängt man nicht zuerst den Angeklagten und steigt erst dann in die Beweisführung ein." Anders fordere das die Opposition, schimpft er. AfD-Fraktionschef Uwe Junge richtet sich so direkt an Dreyer und fordert von der Ministerpräsidentin: "Zeigen Sie jetzt einen Rest von Anstand und Ehre und treten Sie zurück." Geht es nach CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner, habe die Ministerpräsidentin das Vertrauen der Bürger verspielt und enttäuscht. Die Regierung habe übereilt gehandelt, um den Verkauf des Hahn über die Bühne zu bringen. Aus finanziellen Gründen, wie Klöckner annimmt.

"Die Geschäftszahlen sind verheerend, sie saßen in der Schuldenfalle. Diesen Mühlstein wollten Sie loswerden", sagt Klöckner, die ankündigt, Dreyer mit ihrer Partei das Vertrauen zu entsagen. "Wenn das Klammern an der Macht stärker wird als das Verantwortungsgefühl für Menschen, dann ist das bitter."
Alexander Schweitzer protestiert heftig und attackiert Klöckner für die CDU-Mitteilungen der vergangenen Tagen. Dort werde Dreyer mal als "Lügnerin", mal als "Täterin" bezeichnet. Worte, die Schweitzer nicht schmecken. "Das ist die Sprache der Leute, die bei Pegida auf der Bühne stehen." Während die Abgeordneten aus der Koalition klatschen, protestiert die CDU.

Dieser wirft er vor, mit ihrem Antrag zu überziehen. Und im stillen Kämmerlein die Abgeordneten der FDP anzusprechen, bei der Abstimmung am Donnerstag die Seiten zu wechseln. Bernhard Braun von den Grünen kritisiert das Ansinnen der Union ebenso. "Ich gehe davon aus, dass die Regierung das Vertrauen der CDU auch vor vier Wochen, vor sechs Wochen und vor acht Wochen nicht hatte." Er sagt, die Landesregierung sei ihrer Verantwortung gerecht geworden.

Und was sagt Landeschefin Dreyer, die nach der Geschäftsordnung im Parlament nichts zu dem Misstrauensvotum sagen durfte? Sie tritt gut 45 Minuten nach den Worten im Landtag in den Presseraum der Staatskanzlei. Die Fernsehkameras sind auf sie gerichtet, die Fotoapparate klicken, Dreyer antwortet höflich auf alle Fragen. Wählerbetrug, wie von der CDU kritisiert, sehe sie beim Hahn nicht. Sie habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass der Verkauf des Flughafens Hahn eine Herausforderung werde. "Ich habe nie ein X für ein U vorgemacht."
Die Entscheidung, wie es politisch mit ihr weitergeht, fällt am Donnerstag. Offenbar haben ihr die Worte und Gesten ihrer Unterstützer Mut gemacht. "Ich hoffe, dass das Votum so ausfällt, dass die Koalition mich trägt."Extra

Der Flughafen Hahn hat am Donnerstag Gerüchte aus der CDU-Fraktion zurückgewiesen, wonach bis Ende Juni zwei große Kredite vom Flughafen an die staatliche Förderbank ISB fällig gewesen sein sollen - in Höhe von knapp 45 Millionen Euro. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Flughafen Frankfurt-Hahn (FFHG), Staatssekretär Salvatore Barbaro, sagte: "Die Behauptung der CDU-Fraktion ist frei erfunden und entbehrt somit jeder Grundlage. Der Kreditbestand der FFHG bei der ISB liegt bei 2,3 Millionen Euro mit einer Restlaufzeit bis Mitte 2017." Vertreter der Landesregierung weilen dagegen am Freitag zu Gesprächen bei der EU-Kommission in Brüssel. Dort soll es darum gehen, ob der Hahn auch an Investoren verkauft werden können, die einen geringeren Kaufpreis boten als die SYT. flor

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