Ruhe an der Rechtschreib-Front

TRIER. Theater. Das Wort passt nicht nur von der Bedeutung her zum Chaos bei der Rechtschreib-Reform. Denn wäre dieses Thema nicht schon immer emotional besetzt gewesen, schrieben die Deutschen seit 105 Jahren "Teater". Damals glätteten sich die Wogen irgendwann – und einiges deutet darauf hin, dass auch das Rechtschreib-Hickhack unserer Zeit demnächst zu Ende geht.

Dass Schreibweisen die Gemüter bewegen, ist kein neues Phänomen. Bei der ersten und fast ein Jahrhundert lang einzigen Reform der deutschen Rechtschreibung im Jahr 1901 soll Kaiser Wilhelm II. persönlich verhindert haben, dass in Wörtern griechischen Ursprungs das "th" abgeschafft wurde. Deshalb schreiben wir bis heute "Theater" und "Thron", während die "Heimath" oder der "Athem" seit nunmehr 105 Jahren ohne "h" auskommen müssen. Das seit zehn Jahren tobende Chaos um die deutsche Rechtschreibung ist dennoch beispiellos. Appelle und Gegenappelle lösten sich ab, das Bundesverfassungsgericht musste sich mit dem Thema beschäftigen, Ministerpräsidenten plädierten erst für die Reform und waren dann doch dagegen. Eine Expertengruppe konstituierte sich, der Rat für deutsche Rechtschreibung, und erarbeitete Empfehlungen für besonders umstrittene Punkte. Das Ergebnis: die zum 1. August in Kraft tretende "Reform der Reform". Die Rechtschreibreform ist immer noch umstritten. "Wir sind damit nicht glücklich", sagt etwa der Trierer Deutschlehrer Malte Blümke, stellvertretender Landeschef des Philologenverbands. Seine Kollegin von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die Förderlehrerin Sylvia Sund aus Zemmer (Kreis Trier-Saarburg), hält dagegen: "Die Reform war sinnvoll. Für Kinder ist sie eindeutig eine Hilfe." Je nach Standpunkt werden auch die jetzt in Kraft tretenden Korrekturen unterschiedlich bewertet. Die meisten Zeitungen stellen zum Jahreswechsel um

Doch trotz der gegensätzlichen Positionen zeichnet sich endlich der viel beschworene "Rechtschreibfrieden" ab: Man arrangiert sich mit dem jetzt gefundenen Kompromiss und akzeptiert ihn. Die meisten Printmedien werden voraussichtlich zum Jahreswechsel auf die neue Rechtschreibung umsteigen (mehr dazu im "Leser-Forum" auf Seite 22). Auch der Axel-Springer-Verlag, der 2004 zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt war, zieht diesmal mit. Buchverlage wollen in der Regel ihre Belletristik-Autoren entscheiden lassen, ob deren Werke in alter oder neuer Rechtschreibung gedruckt werden. Schulbuchverlage wollen die Änderungen dagegen bereits zum neuen Schuljahr in alle Deutsch- sowie Grundschulbücher einarbeiten. Das kündigte der Sprecher des Verbands deutscher Schulbuchverlage, Rino Nikolic, an. Schüler können aber auch in den kommenden Jahren noch ältere Bücher, etwa von Geschwistern, benutzen. Ende gut, alles gut? Nicht ganz. Denn die Reform ist ein Prozess, der wohl nie ganz abgeschlossen sein wird. Sprachwissenschaftler sollen verfolgen, welche der derzeit zulässigen Varianten bei vielen Wörtern sich durchsetzen. Und in fünf Jahren wird der Rechtschreibbeirat einen Reformbericht vorlegen. Experten rechnen nicht damit, dass sich das Reformchaos dann fortsetzt. "Es wird nur noch um sehr behutsame Änderungen gehen, die sich am praktischen Sprachgebrauch orientieren", glaubt der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Heinz-Peter Meininger. Die Politik, auf deren Konto ein maßgeblicher Anteil am Hickhack der vergangenen Jahre geht, hat versprochen, sich in Zukunft aus dem Thema herauszuhalten - auch das erhöht die Chance auf Ruhe an der Rechtschreib-Front. Bleibt zu hoffen, dass nicht doch wieder ein Kaiser Wilhelm auftaucht.

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