Stumpfe Wortklingen statt verbaler Spitzen

BOCHUM. Kurz vor der Landtagswahl in NRW trafen sich Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) und sein Herausforderer Jürgen Rüttgers (CDU) zum mittlerweile traditionell televisionären Schlagabtausch.

Wer ist bloß auf die Idee gekommen, dieses Fernseh-"Duell" (ZDF und WDR) in die Bochumer Jahrhunderthalle zu verlegen? Einsam muss ihnen zumute gewesen sein, den vier Menschen im lohengrinblau ausgeleuchteten Saal, der zum Flugzeugbau allemal besser geeignet ist. So richtig wohl scheinen sich Amtsinhaber und -anwärter zunächst auch nicht zu fühlen: die Mienen weitgehend starr, manchmal ein verzogenes Lächeln, Handflächen auf die Tischplatten gelegt. Hin und wieder verschränken sich die Finger, mal wird eine zaghafte Armbewegung angedeutet. Vorwiegend aber ist diese Stunde Rederei eine Studie in Starrheit. Die einzige Bewegung kommt von der Kamera, die sich in hitchcockartigen Schwenks - ohne Schnitt von der Ganztotalen zur Großaufnahme - in der gigantischen Leere gefällt. Beeindruckend, aber weitgehend sinnfrei. Die Dramaturgie eines gemischten Doppels - hier Frager, dort Befragte - lässt sich damit nur schwerlich aufpeppen. Für die Dialoge, tausend Mal geführt, tausend Mal kaum was passiert, bedeutet dies nicht wirklich einen Spannungszuwachs. Die Hiebe bleiben sanft und vorhersehbar. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als wollten sich Steinbrück und Rüttgers gar nicht so richtig beharken, trotz sorgenfaltigen Nachfragens von Jörg Schönenborn und schmolligen Kokettierens seitens Maybritt Illners. Leidenschaft, Charisma gar - das sind dem oberlehrerhaften Rüttgers mit seinen Zettelkasten-Attacken sowie dem aus Hamburg importierten NRW-Gastarbeiter Steinbrück, dem die rheinisch singende Diktion seines Herausforderers herkunftsbedingt vollkommen abgeht, fremde Eigenschaften. Zwei graue Herren, die dem Fernsehzuschauer zu abendlicher Stunde die Zeit stehlen. Allerdings - selber schuld, wer so naiv ist, etwas Aufregendes zu erwarten. Die Argumente und Gegenargumente, spitzzüngig und nicht immer ganz stammelfrei formuliert, locken weder die Unentschiedenen aus der Reserve noch die zaudernden Wechselwähler ins rechte oder linke Lager.Kokettieren mit möglichen Katastrophen

Ein Duell, soviel wird schon nach zehn Minuten deutlich, liefern sich die beiden Politiker nicht. Man demonstriert Souveränität, überbietet sich an Charme und Humor, wahrt Façon und Fassade, kokettiert mit der möglichen Katastrophe ("Wenn wir die Wahl verlieren würden - ich lass mich mal auf dieses Szenario ein entgegen allen Überzeugungen..."). Kein Satz fällt, der das Zeug dazu hätte, in den Zitatenschatz politischen Geistreichtums einzugehen. Statt verbaler Spitzen ritzt man sich mit vom häufigen Gebrauch stumpfen Wortklingen: eine Million Arbeitslose, Rekordverschuldung des Landes, Unterrichtsausfall an den Schulen - das verdächtig Übliche. Doch jeder Vor- und Einwurf wird sofort retourniert; keiner lässt etwas auf sich sitzen, das gehört zum Spiel, und wer gegen die Regel der obligaten Widerworte verstößt, hat sowieso schon verloren. Sieger des Duells ist übrigens Peer Steinbrück. 47 von spontan befragten 100 Zuschauern hielten ihn für glaubwürdiger; nur etwa 30 sagten das von Jürgen Rüttgers. Aber was will das schon heißen? Bis Sonntag läuft noch viel Wasser den Rhein hinunter.

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