US-Präsident Barack Obama verabschiedet sich lässig und lobend in Berlin

Berlin · Bereits zum dritten Mal besucht der amerikanische Präsident Barack Obama die deutsche Hauptstadt. Diesmal ist es eine Visite voller Wehmut, ein Abschied halt - nicht nur von Berlin.

Es wird Champagner gereicht. Im Pappbecher. Schließlich regnet es in Strömen, und der Sicherheitscheck knapp 50 Meter vor dem hermetisch abgeriegelten Hotel Adlon dauert. Wer also dringend in die Berliner Fünf-Sterne-Herberge muss, wird von freundlichen Angestellten an einer rollenden Bar mit Schampus oder Kaffee bei Laune gehalten.

Draußen wie drinnen wimmelt es nur so von Sicherheitskräften, weil oben auf der Beletage in der Präsidentensuite der noch mächtigste Mann der Welt residiert: Barack Obama. Auf 185 Quadratmetern, mit Wohn-, Schlaf- und Essbereich, mit Butler, Sauna und Whirlpool. Und mit Mini-Bar inklusive. Versteht sich.

"Mr. Cool" ist wieder einmal in der Stadt. Zum dritten Mal besucht der US-Präsident Berlin. Diesmal ist es eine Visite voller Wehmut. Obamas Präsidentschaft neigt sich nach acht Jahren rapide dem Ende entgegen, sein Nachfolger ist Donald Trump. Der Mann, den die Europäer fürchten, weil er die Welt völlig anders sieht als sie.Angela Merkel als letzter Pfeiler

Angela Merkel gilt seit Trumps Wahl als letzter Pfeiler der westlichen Welt, wie man sie bisher gekannt hat: In den wichtigsten außenpolitischen Fragen geeint, vor allem auf derselben Wertebasis stehend. Merkel ist nun aber von wenig zuverlässigen Männern wie Putin, Trump und Erdogan umringt. Von denen mit dem besonders großen "Ich". Obamas Besuch ist daher auch ein Signal, nicht zu verzagen. Die Kanzlerin darf sich geehrt fühlen.

Man muss freilich als Berliner schon viel Glück haben, um vom Präsidenten irgendetwas mitzubekommen. Im Adlon wollen ihn einige Gäste morgens im Fitnessbereich gesehen haben. Ansonsten macht er sich rar.

Einzige Ausnahme: Am Nachmittag reißt die dunkle Wolkendecke plötzlich auf, die Sonne scheint. Obama nutzt die Gelegenheit für einen kurzen Spaziergang über den Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor.Den Kaffeebecher in der Hand

In der rechten Hand seinen Kaffeebecher mit präsidialem Siegel, die linke Hand lässig in der Hosentasche. "Hallo Leute, wie geht's?", ruft "Mr. Cool" ein paar Schaulustigen zu. Öffentliche Termine gibt es aber nicht. Der Besuch findet fast unter Ausschluss der Bevölkerung statt.

Die Berliner, die Obama 2008 und 2013 noch bejubelten, nehmen es gelassen. Im Internet posten einige ihre indirekten Begegnungen mit dem Präsidenten: ein Foto der Präsidentenmaschine Air Force One im Landeanflug auf Tegel, ein Schnappschuss der rund 40 Fahrzeuge umfassenden Präsidentenkolonne, oder ein Selfie mit einem Schauspieler, der an den Absperrungen als Obama-Double auftritt. Berlin verabschiedet den 44. US-Präsidenten, ohne ihm nahe zu kommen.

Bis zu seiner Fahrt zum Kanzleramt werden im Berliner Regierungsviertel noch Gullydeckel verschweißt und Sperren errichtet. Das Polizeiaufgebot ist immens, von 2400 Beamten im Einsatz ist die Rede. Taucher suchen nach Sprengsätzen in der Spree, gepanzerte Kampffahrzeuge riegeln die zentralen Zufahrtswege zum Hotel Adlon ab. Auf vielen Dächern liegen Scharfschützen. Die S- und U-Bahnen halten nicht mehr an der Station "Brandenburger Tor". Gespenstisch wirken die verlassenen Bahnsteige.

Selbst die paar Meter zur US-Botschaft nebenan muss Obama mit seiner Limousine zurücklegen, mit "The Beast", einem sieben Meter langen und acht Tonnen schweren Ungetüm auf Rädern. In der Vertretung gibt der Präsident am Vormittag ein Abschiedsinterview - es geht auch um sein Verhältnis zur Kanzlerin. Beide hatten einige Zeit gebraucht, um einen Draht zuein-ander zu finden. Die Deutsche, so der Präsident im ARD-Interview, sei "bereit, für ihre Werte zu kämpfen". Ein echtes Lob. Warme Worte, die Merkel in schwierigen Zeiten gut gebrauchen kann. Auch innenpolitisch. Im nächsten Jahr ist Bundestagswahl.

Über zwei Stunden dauert das Gespräch, das beide am späten Nachmittag in Merkels Regierungszentrale führen. Abends kommen "Angela" und "Barack" - man duzt sich - noch einmal zum Galadinner im achten Stock des Amtes zusammen. Mit dabei Promis wie Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann oder Star-Dirigent Daniel Barenboim. Merkels Ehemann Joachim Sauer speist mit.

Vor der Presse bedankt sich die Kanzlerin für die enge und verlässliche Zusammenarbeit "auch in schwierigen Stunden". Obama wiederholt sein Lob - ausgiebig. Er betont mit Blick auf die Politik des künftigen Präsidenten Trump: "Ich bin immer optimistisch." Und Merkel erklärt: Es gebe zum Glück immer noch genügend Menschen, die "sich den gleichen Werten" verschrieben hätten. Ob ihnen der Abschied voneinander schwerfalle, werden sie noch gefragt. Die Deutsche sagt: "Na klar." Der Amerikaner nickt. Es wirkt echt.Extra

Sechs wichtige Gesprächsthemen zwischen Obama und Merkel in Berlin:Atompolitik: Die internationale Gemeinschaft kämpfte jahrelang darum, den Iran in ein bindendes Atomabkommen zu integrieren. 2015 war es endlich so weit: Neben den USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben auch China und Russland den Vertrag unterschrieben. Donald Trump hat angekündigt, das Abkommen, das dem Iran die zivile Nutzung der Atomkraft unter strengen Kontrollen sichert, rückgängig machen zu wollen. Ein Alleingang Trumps könnte alles zunichte machen.Klimaschutz: Die US-Republikaner sind die einzige größere politische Kraft im Westen, die einen vom Menschen verursachten Klimawandel leugnet. Trump hat angedroht, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, das 200 Länder unterzeichnet und über 70 ratifiziert haben und das auch bereits in Kraft gesetzt ist, ausscheren oder zumindest nachverhandeln zu wollen. Trump könnte mit seiner Energiepolitik pro Kohle und Öl die vereinbarten Emissionsziele mutwillig verfehlen.Wirtschaft und Finanzen: Die Finanzstabilität Griechenlands gehört zu den Hauptzielen von Obamas Reise. Er steht aufseiten des Internationalen Währungsfonds und vertritt die Ansicht, Griechenland brauche neben wirtschaftlichen Reformen auch Entlastung von seinen Schulden, um wieder auf die Beine zu kommen. Die Bundesregierung sieht das völlig anders. Zudem geht es auch um die künftige Regulierung der Finanzmärkte. Donald Trump könnte im Duo mit Großbritanniens Theresa May die Zügel kappen, die seit der Finanzkrise angelegt worden sind.Terrorbekämpfung: Obama will hier mit seinen wichtigsten Partnern noch einmal Pflöcke einschlagen - speziell im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat.Nato: Donald Trump hat wiederholt die Beziehungen der USA zur Nato infrage gestellt. Tenor: Die USA sind so stark, die brauchen keine Nato. Obama hat allerdings bereits vor seinem Eintreffen in Europa versucht, dies wieder abzuräumen: Trump habe ihm versichert, dass er großes Interesse habe, die strategischen Kernbeziehungen aufrechtzuerhalten.Russland: Die neue Freundschaft Trumps zu Kremlchef Wladimir Putin lässt die Europäer aufhorchen. Zu reden sein wird in diesem Zusammenhang sicher über die Ukraine-Krise und das Minsker Abkommen, das Merkel in wesentlichen Teilen zuzuschreiben ist. dpa

Extra

Und so geht es am Freitag mit dem Obama-Besuch in Berlin weiter: Gegen 9.30 Uhr ist am Flughafen Tegel die Ankunft der Staats- und Regierungschefs aus Frankreich (François Hollande), Italien (Matteo Renzi), Großbritannien (Theresa May) und Spanien (Mariano Rajoy) geplant. Mit ihnen wollen Angela Merkel und Barack Obama um 16.30 Uhr zu einem Spitzentreffen zusammenkommen. Um 19 Uhr ist der Abflug Obamas aus Berlin geplant. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort