Zwischen Hirngespinst und glänzender Fassade

Berlin · Zum Auftakt der parlamentarischen Beratungen über den Bundeshaushalt 2013 klopfte sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gestern für seine "wachstumsfreundliche Konsolidierung" selbst auf die Schulter. Die Opposition sah das naturgemäß ganz anders und ritt zum Teil wütende Attacken gegen den Kassenwart.

Berlin. Anfangs schien Schäuble die Kollegen von SPD und Grünen noch umarmen zu wollen: Auch sie hätten schließlich daran mitgewirkt, dass Deutschland "krisen-resistenter" geworden sei. Gemeint war die Agenda 2010 aus der Schröder-Ära mit ihren Einschnitten in soziale und arbeitsmarktpolitische Errungenschaften. Ein vergiftetes Lob also. Schäuble diente es als rhetorische Basis für die Darstellung seines neuen Zahlenwerks. Obgleich sich die "hervorragende wirtschaftliche Entwicklung" etwas abschwäche, so Schäuble, werde der Bund die Vorgaben der im Grundgesetz verbrieften Schuldenbremse bereits im kommenden Jahr erfüllen und nicht erst 2016 wie ursprünglich kalkuliert.
Wer nun glaubte, der Bund käme schon 2013 ohne neue Kredite aus, der sah sich getäuscht. 18,8 Milliarden Euro will sich Schäuble noch von den Banken borgen. Das ist zwar mehr als eine Halbierung der Neuverschuldung im laufenden Jahr. Aus Sicht der Opposition wäre aber noch deutlich weniger machbar gewesen.
Thomas Oppermann, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, erinnerte an die Staatsschuldenquote, also die Gesamtverschuldung gemessen an der deutschen Wirtschaftleistung. Derzeit liege sie bei 83,5 Prozent. Im Vorjahr waren es noch 81,2 Prozent. "Und das, obwohl wir zwei Jahr lang die höchsten Staatseinnahmen hatten", kritisierte Oppermann.
Dieser Tenor zog sich bei den Oppositionsvertretern wie ein roter Faden durch die Redebeiträge.
Laut Dietmar Bartsch von der Linksfraktion wird Schwarz-Gelb über 112 Milliarden neue Schulden anhäufen.
SPD-Finanzexperte Joachim Poß warf Schäuble vor, die Haushaltsplanung mit einer "glänzenden Außenfassade" zu schmücken. Die gute Lage beruhe auf kräftig sprudelnden Steuerquellen. Und auf den Zinsersparnissen. Denn das ist die für Schäuble angenehme Seite der Euro-Krise: Weil deutsche Staatsanleihen als besonders sicher gelten, liegen die Zinsen, die Käufer dafür bekommen, zum Teil sogar bei Null. Nach Angaben Oppermanns hätte der Bund unter normalen Umständen im kommenden Jahr 10,7 Milliarden Euro mehr für Zinsen ausgeben müssen, als es nun der Fall sein wird. Trotzdem würden die Ausgaben des Bundes im kommenden Jahr nur um etwa die gleiche Summe sinken. Das Sparen bestehe also lediglich in eingesparten Zinsen.
Das ist eine verkürzte Darstellung. Zumindest bei der Bundesagentur für Arbeit, dem Gesundheitsfonds sowie der Rentenversicherung setzt Schäuble den Rotstift an. Dadurch kommen fünf Milliarden Euro zusammen. Doch auch das stieß der Opposition sauer auf, zumal der Finanzminister noch erklärt hatte, dass der rege diskutierte Gegensatz zwischen Arm und Reich im Land "eher ein Hirngespinst" sei.

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