Blind vor Liebe ins Verhängnis - Lebenslänglich für Mord aus Habgier

Trier · Weil er ihrer überdrüssig war und weil er an ihr Geld wollte, hat nach Überzeugung des Trierer Landgerichts im Januar ein 34-Jähriger seine Freundin in Kinderbeuern ermordet. Am Freitag fiel das Urteil gegen ihn: lebenslang.

 Der 34-jährige Angeklagte (hier ein Archivbild vom ersten Prozesstag) ist gestern vom Trierer Landgericht wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. TV-Foto: Friedemann Vetter

Der 34-jährige Angeklagte (hier ein Archivbild vom ersten Prozesstag) ist gestern vom Trierer Landgericht wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Es muss unerträglich sein für Eltern, detailliert zu hören, wie die eigene Tochter ermordet wurde. Vom eigenen Freund brutal getötet. Während sie, hilflos ans Bett gefesselt, eine Schlafmaske auf, in der Erwartung, Sex mit dem Mann zu haben, sich nicht wehren kann.
Richterin Petra Schmitz kann den Eltern der im Januar in Kinderbeuern (Bernkastel-Wittlich) getöteten 27-jährigen Altenpflegerin, die bei der Urteilsverkündung dabei sind, die schwer zu ertragende, detaillierte Schilderung der Tat nicht ersparen. Die Vorsitzende der Schwurgerichtskammer trägt sie nüchtern und emotionslos während ihrer einstündigen Urteilsbegründung vor. Für sie gehört das mehr oder weniger zum Alltag. Für die aus Görlitz angereisten Eltern ist es eine nur schwer auszuhaltende Qual. Irgendwann kann denn auch die 56-jährige Mutter nicht mehr, sie verliert die Fassung, weint ungehemmt. Auch ihrem Mann, der ihre Hand nimmt, laufen die Tränen übers Gesicht, als die Richterin schildert, was sich am 17. Januar zwischen 22 und 22.30 Uhr im gemeinsamen Schlafzimmer der Altenpflegerin und deren Freund, eines arbeitslosen Kochs, abgespielt hat. Eine nach Überzeugung des Gerichts geplante, vorsätzliche Tat. Weil der aus dem saarländischen Weiskirchen stammende Mann, Vater einer 15-jährigen unehelichen Tochter, die Frau loswerden wollte. Zwei Tage vor der Tag hat er einem Freund via Internettelefon noch gesagt: "Die Alte geht mir auf den Sack." Auch im sozialen Netzwerk Facebook ist er über seine Freundin hergezogen. Bekannte der beiden berichteten vor Gericht von einer einseitigen Beziehung. Die Altenpflegerin sei blind gewesen vor Liebe, er habe sie ausgenutzt, habe in den Tag hineingelebt, auf ihre Kosten.
Diese Blindheit hat bei der 27-Jährigen vielleicht auch dazu geführt, dass sie die Drogensucht des Koches, der schon mehr als einmal seinen Job wechseln musste, nicht wahrnahm oder nicht wahrhaben wollte. Sie habe "über vieles einfach hinweggesehen", formuliert Richterin Petra Schmitz die gewisse Naivität der Frau. Genau diese Gutmütigkeit wurde der von ihrer Mutter und ihren Freunden als lebensfroh bezeichneten Frau vermutlich zum Verhängnis. Als sie im Sommer vergangenen Jahres den Mann wieder in ihrer Wohnung in Kinderbeuern aufnahm, nachdem er sie vier Wochen vorher Knall auf Fall verlassen hat. Er war zu seiner Geliebten, der Frau seines damaligen Chefs, gezogen. Als das Verhältnis aufflog, wurde der Saarländer gefeuert. Der Altenpflegerin, die den Koch als Liebe ihres Lebens bezeichnete, tischte er eine Lüge auf. Er sei ausgezogen, weil er sie habe schützen wollen: Er werde von Mitgliedern eines Boxvereins, aus dem er ausgetreten sei, verfolgt. Genauso belügt er die Eltern der Frau, als er ihnen erzählt, er dürfe kein Auto fahren, weil er einen Hirntumor und nur noch ein paar Monate zu leben habe. Dass er in Wirklichkeit gar keinen Führerschein besaß, verschwieg er.
Die Arbeitslosigkeit des mehrmals Vorbestraften, unter anderem deswegen, weil er keinen Unterhalt für seine Tochter zahlte, führte vermutlich zur völligen Perspektivlosigkeit bei dem zu einer Bewährungsstrafe verurteilten Mann. Heimlich schaute er sich Pornos im Internet an, auch solche, in denen willenlos gemachte Frauen brutal vergewaltigt werden. Mit dem Rauchen von Kräutermischungen, die mit künstlichem Cannabis versetzt sind (Legal Highs), versucht er, seine Probleme zu vergessen. Doch die 587 Euro Arbeitslosengeld reichen nicht aus, um das "Teufelszeug" (Staatsanwalt Jörn Patzak) zu bezahlen. Seine finanzielle Situation sei desaströs gewesen, meint Richterin Schmitz. Allein die Unterhaltsschulden des Mannes liegen weit über 20 000 Euro. Er habe seine Freundin umgebracht, um an ihr Geld zu kommen. "Der erste Weg nach der Tat geht zum Bankschalter", sagt die Richterin. Während sie spricht, schaut der Mann - wie an den acht Verhandlungstagen zuvor - zu Boden, äußerlich regungslos. Die Mutter der Getöteten blickt ihn vorwurfsvoll an, Tränen im Gesicht.
Verteidiger Andreas Ammer hat am Tag zuvor in seinem Plädoyer die Kraft der Eltern bewundert, den Prozess bis zum Schluss zu verfolgen. Er wisse, dass er die zu Beginn vorgetragene Entschuldigung und das Geständnis des Angeklagten nicht ungeschehen machen könne. Ammers Taktik, die Tötung der Frau auf die Drogen zu schieben und für den Mann ein Urteil wegen Totschlags herauszuholen, geht nicht auf. An der Dauer der bevorstehenden Haft des gerade erst 34 Jahre alt gewordenen Mannes hätte auch eine Verurteilung wegen Totschlags womöglich nichts geändert. Nur hätte dann nicht der lebenslange Makel eines Mörders an ihm gehaftet.
Das Gericht folgt voll und ganz dem Staatsanwalt. Er habe widerlegt, dass der Mann seine Freundin nicht, anders als von ihm ausgesagt, in Trance, sondern im vollen Bewusstsein umgebracht habe. Heimtücke und Habgier seien damit nachgewiesen, sagt die Richterin. Die juristischen Merkmale für Mord. Einzig mögliches Urteil: lebenslang.

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