Westfälische Anzüge und lange Mähne

Bitburg. Boogie-Woogie ist eine Musik, die direkt ins Blut und in die Füße geht. Was Anfang der 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts die Menschen in Chicago begeisterte, riss jetzt auch das Publikum im Bitburger Haus Beda mit, als das "Frank Muschalle Trio" und der Pianist Vince Weber dort auftraten.

Der Boogie-Woogie ist eine unter den Farbigen in Amerika entstandene Kombination aus Jazz und Blues, die erstmals in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Chicago ihren ersten Höhepunkt erlebte. Eigentlich vom Ursprung her nur für einen Pianisten gedacht, ist das, was beim Boogie-Woogie gespielt wird, immer dasselbe. Die Noten können variieren, aber das Schema, mit dem die linke Hand dem Bass des Klaviers die Töne entlockt, verändert sich kaum. Dazu kommen mehr oder weniger kunstvolle Akkordbrechungen, Tremoli und Tonskalen, mit denen die Rechte im Diskant brillieren kann. Auf diese wissenschaftliche Weise betrachtet, eher eine langweilige Art der Musik. Aber, wie so oft, auch hier kommt es darauf an, was man daraus macht. Frank Muschalle, einer der anerkanntesten Boogie-Woogie Pianisten Deutschlands, hat sich vom Virus dieses Genres so anstecken lassen, dass er sogar seine Berufsausbildung als Pädagoge an den Nagel hängte, um mit der Musik sein tägliches Brot zu verdienen. Er ist ein Vollprofi, der es schafft, zusammen mit dem Schlagzeuger und Sänger Dirk Engelmeyer und dem Bassisten Matthias Klüter, seine Konzertbesucher in Entzücken zu versetzen. Schon zum zweiten Mal war das Trio im Bitburger Haus Beda zu Gast. Während beim ersten Mal die Witterung etliche Zuhörer zu Hause hielt, war diesmal Muschalle und die veranstaltende "Kulturgemeinschaft Bitburg e.V." mit den Besucherzahlen recht zufrieden. Natürlich hätten es mehr sein können, vom Fassungsvermögen des Festsaales und auch von der Qualität der Musik her, aber die nicht besetzten Plätze taten der Stimmung keinen Abbruch.Mitreißende Klänge aus dem Flügel

Muschalles Spiel kennt alle Varianten, die den Breakdown, wie der Boogie auch heißt, zu einem Erlebnis machen und den Pianisten gleichzeitig auch als einen exquisiten Pianisten ausweisen. Mit traumhaftem Anschlag und bravouröser Virtuosität zauberte er mitreißende Klänge aus dem Flügel, begleitet von seinen Partnern, die ihm in der Professionalität in nichts nachstanden. Als Special Guest hatte Muschalle den schon fast legendären Hamburger Pianisten Vince Weber mitgebracht, der sich mit seiner ganz eigenen, manchmal etwas gröberen Art solistisch präsentierte und auch in den Trioklang einbrachte. Das hier zwei Welten zusammen trafen, manifestierte sich schon in der Kleidung. Das Muschalle Trio, westfälisch korrekt im Anzug, Weber mit wallender Mähne im offenen Hemd und Weste. Musikalisch verschmolzen sie perfekt. Ob nun Eigenkompositionen oder Werke etwa des berühmten Pete Johnson, die Musiker wussten ihr Publikum mitzunehmen in die Welt ihrer Musik, die in Deutschland in vergangenen Zeiten gar als unanständig angesehen wurde. Ein besonderes Erlebnis bescherte den Akteuren eine Gruppe von Schülern, die ihrer Begeisterung lautstark Ausdruck verliehen. Muschalle: "Das habe ich mir immer schon gewünscht. Kreischende junge Mädchen vor der Bühne." In Bitburg gibt es so was.

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