Ein Zeitungsleben

München. (fpl) Da hat ein (ehemaliger) Journalist einen Roman über Journalisten geschrieben und wird dafür von vielen Journalisten mit Lob überhäuft - ist da was faul? Nein, auch wir reihen uns ein, denn es stimmt: Tom Rachmans "Die Unperfekten" ist ein schöner, komischer, trauriger, ergreifender Roman - nicht nur über und vor allem nicht nur für Zeitungsmenschen. Dabei zugleich so elegant geschrieben, dass man ihn einfach wegliest.



Als Rahmen dient ein in Rom angesiedeltes, internationales Blatt, das Projekt eines amerikanischen Millionärs, der sich diese kostenintensive Extravaganz einfach leistet und jahrzehntelang durch alle Auflagen-Turbulenzen durchfinanziert. Bis sein unfähiger Erbe übernimmt.

Rachman porträtiert aber vor allem und mit viel Wärme die Menschen, die dahinter stehen, lässt uns in die Köpfe all der höchst unperfekten Individualisten schauen, die jeden Tag dennoch irgendwie gemeinsam etwas hinbekommen, das wir dann als "die Zeitung" wahrnehmen: Den aus- und abgebrannten Korrespondenten, der sich in seiner Not mit einer erfundenen Geschichte ins Blatt zurückschreiben will. Den desillusionierten Nachrufschreiber, der es mit einem fiesen Trick dann doch als Autor in den Kulturteil schafft (ein Sieg, an dem er sich nicht freuen kann). Den pingeligen Korrektoren, die still leidende Redaktionsmaus und den - wir sind schließlich unter Journalisten - ego-getriebenen Starreporter, der einen unerfahrenen Jungkollegen nach Strich und Faden übers Ohr haut.

Rachmans Roman umweht zugleich eine Melancholie, die natürlich der aktuellen Situation in der Branche geschuldet ist: Wer weiß, welche Blätter überleben werden in einer Zeit, da jeder alles sofort und umsonst aus dem Internet haben will. Für "Die Unperfekten" sollte man aber bezahlen, sie sind jeden Euro wert.

Tom Rachman, Die Unperfekten, dtv Premium, 395 Seiten, 14,90 Euro, ISBN 978-3-423-24821-1

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