Musiklexikon Luxemburgs Kultur entdeckt sich selber

Luxemburg · Eine Forschungsgruppe an der Universität arbeitet mit bescheidenem Aufwand, aber aktueller Technik an einem Musiklexikon.

 Gemeinsam mit Kollegen erarbeitet Tina Zeiß-Zippel den zweiten Band des Luxemburger Musiklexikons.

Gemeinsam mit Kollegen erarbeitet Tina Zeiß-Zippel den zweiten Band des Luxemburger Musiklexikons.

Foto: Privat

Ist das Großherzogtum auf der musikgeschichtlichen Landkarte nur ein weißer Fleck? Fest steht: In den 29 dickleibigen Bänden der Enzyklopädie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ finden sich nur ganz vereinzelte Hinweise auf Luxemburg und seine musikalische Kultur. Aus musikwissenschaftlicher Perspektive galt Luxemburg lange Zeit als geschichtslos. Seit 2016 indes entwickelt sich Schritt für Schritt die Basis eines gerechteren und differenzierteren Umgangs mit den Wurzeln des luxemburgischen Musiklebens.

Mittlerweile arbeitet im Fachbereich Geisteswissenschaften der Luxemburger Universität eine Gruppe junger Musikwissenschaftler und Musikwissenschaftlerinnen an einem Personenlexikon luxemburgischer Komponisten und Dirigenten. Band eins, immerhin gut 1000 Seiten stark, liegt schon in der zweiten Auflage vor. Er umfasst Personen zwischen 1815 und 1950. Der projektierte Band zwei konzentriert sich auf die Zeit nach 1950. Immer eindeutiger entwickelt sich auch in diesem Projekt die Digitalisierung zum Mittel von Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation.

Es ist ein kleines, aber engagiertes Team, das unter Federführung von Tina Zeiß-Zippel und Jean Thill und mit Marlèn Erpeldinger als Verbindung zum Kulturministerium den zweiten Band vorbereitet und den ersten ergänzt. Wobei „Band“ in Anführungszeiten stehen sollte. Immer nachdrücklicher stützen sich die jungen Forscherinnen und Forscher um Zeiß-Zippel und Thill auf das Internet. Und das aus gleich zwei Gründen. Im Gegensatz zu Buch und Zeitschrift mit ihrem von vorneherein feststehenden Platz ist die Internet-Publikation erweiterungs- und korrekturfähig. Und im Gegensatz zu jedem gedruckten Lexikon, das vom ersten Tag an veraltet, bleibt das Internet aktuell, wenn die Seite nur entsprechend gepflegt wird.

Nach ersten Überlegungen und Planungen konnte Anfang 2020 das „Luxemburger Musiklexikon online“ begonnen werden. Das Projekt fand in Zusammenarbeit mit der „Melusina Press“ statt. Die versteht sich als „hybride und multimodale Open-Access-Verlagsinitiative der Fakultät für Geistes, Erziehung- und Sozialwissenschaften an der Universität Luxemburg.“ Da klingt etwas Fach-Chinesisch mit, aber die Bezeichnung trifft den Sachverhalt genau. „Wir freuen uns über die Zusammenarbeit mit Melusina“, sagt Tina Zeiß-Zippel. „Sie nimmt uns viel Arbeit ab.“

Die Tätigkeit des  Herausgeber-Teams vollzieht sich auf drei Ebenen: Überarbeitung und Aktualisierung. Bei Fehlern oder veränderten Forschungsergebnissen finden Erneuerungen statt; Neuaufnahme von Artikeln, die zeitlich in den ersten Band gehören und sukzessives Hinzufügen der Artikel für den  zweiten Band und Erweiterungen durch Aufnahme zusätzlicher Komponistinnen und Interpretinnen – auch von Kritikerinnen, Mäzenen, Festivals.

Zeiß-Zippel und Thill gehen noch einen Schritt weiter. Mit dem Begriff „Crowdsourcing“ wollen sie alle Leser des Lexikons ansprechen und zur Mitarbeit anregen. Anders als beim allgemein geläufigen Crowdfunding geht dabei es ihnen nicht so sehr um Finanzspritzen. Im Mittelpunkt steht die Weitergabe von Ideen und Initiativen. Dieses Lexikon ist nicht nur ein „work in progress“. Es soll auch ein Quell wissenschaftlicher Kreativität werden.

Das  „Luxemburger Musiklexikon online“ konzentriert sich nicht auf tatsächliche oder vermeintliche Prominenz im Musikleben des Großherzogtums. In den bislang 176 Artikeln geht es in die Breite. Und eröffnet dabei an ganz neue Perspektiven. Im Mittelpunkt steht der Wille, Luxemburgs Musikleben mit seinen zahlreichen Akteuren eine wissenschaftliche Grundlage mitzugeben. Das neue Lexikon-Projekt liefert überdies einen wichtigen Beitrag zur Musikforschung in der gesamten Großregion. Schon jetzt ist eins klar: Luxemburgs Musikleben ist ungleich vielfältiger, als es sich nach außen darstellt.

 Das Cover des ersten Bandes des Luxemburger Musiklexikons.

Das Cover des ersten Bandes des Luxemburger Musiklexikons.

Foto: TV/Privat

Der erste Lexikon-Band kann aufgerufen werden unter https://musique.uni.lu/luxemburger-musikerlexikon-digital/. Seine Benutzung online ist kostenfrei.

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