Lehrstunde deutscher Geschichte: Kulturlabor zeigt "Sophie Scholl"

Trier · Der Wahnsinn kann sich wiederholen, denn die Methoden ähneln sich. Das zeigt das Kulturlabor mit seinem Jugendstück "Sophie Scholl" in der Tufa. Es ist weit mehr als die Lebensgeschichte einer jungen Frau. Es ist ein Stück über die Macht von Propaganda, die fatalen Folgen von Rassismus und die Pflicht zum Widerstand gegen Unmenschlichkeit.

 Sophie Scholl (Judith Kriebel) kritisiert in ihren Briefen das Naziregime, für das ihr Freund Fritz Hartnagel (Alexander Ourth) in den Krieg zieht. Foto: Sebastian Gasper

Sophie Scholl (Judith Kriebel) kritisiert in ihren Briefen das Naziregime, für das ihr Freund Fritz Hartnagel (Alexander Ourth) in den Krieg zieht. Foto: Sebastian Gasper

Foto: Mechthild Schneiders (mehi) ("TV-Upload Schneiders"

Trier. "Was einmal wirklich war, bleibt für immer möglich." Das Stück "Sophie Scholl" des Kulturlabors Trier in der Tufa passt genau in diese Zeit, in der Rechtspopulismus wieder hoffähig gemacht wird. Wann, wenn nicht jetzt, sollten Kulturschaffende die Risiken und Nebenwirkungen eines Rechtsrucks in der Politik anprangern? Alexander Ourth und Judith Kriebel tun es - bewegend, unaufgeregt und gut verständlich. Denn ihre Produktion über die Widerstandskämpferin in der Nazizeit ist für Jugendliche ab der 10. Klasse gedacht. Und sie funktioniert bei der Premiere im großen Saal der Tufa auch vor erwachsenem Publikum.

Kriebel und Regisseur Ourth, beides ehemalige Mitglieder des Trierer Theaterensembles, erzählen die Geschichte Sophie Scholls mit Texten aus Tagebüchern und Briefen. Lassen die Zuschauer teilhaben am Leben eines ganz normalen Teenagers, der ersten Liebe, dem Streit mit den Eltern. Nur dass es bei Scholls nicht ums Taschengeld oder mehr Zeit zum Daddeln geht, sondern ums Existenzielles: um Gesellschaft, Politik, Zukunft. Denn die Kinder verehren Hitler, der Vater ist überzeugter Nazigegner. Herrlich, wie Kriebel (die Kinder) immer wieder ein Bild Hitlers an die Wand klebt, das der Vater (Ourth) genauso beharrlich abreißt. Solche Einlagen unterbrechen den sonst ernsthaften Stoff und schaffen kleine Pausen für die Zuschauer.

Kriebel und Ourth setzen Sophie Scholls Leben in den historischen Kontext, berichten von Weltwirtschaftskrise, Millionen Arbeitslosen, die den großen Versprechungen eines Mannes glauben. So wird verständlich, warum auch Sophie und ihre Geschwister erst von Hitler und seinen Jugendorganisationen begeistert sind. Und sie zeigen deren allmählichen Umschwung bis zum Widerstand.

Die Schauspieler schlüpfen nicht nur in verschiedene Rollen, sie sind auch Berichterstatter, lesen Verordnungen, Protokolle, Gesetze, tragen Ansprachen vor. Eindringlicher als jede originale Tonbandaufnahme ist es, wenn Kriebel eine Hitlerrede hält. Ihre Stimme, grotesk verzerrt, ihre Mimik und Gestik entlarven die theatralischen Gebärden des selbsternannten Führers.

Originalfotos, projiziert auf den Bühnenhintergrund, geben den historischen Dokumenten ein Gesicht. Hungernde Menschen vor und während der Nazizeit. Juden, Polen, Russen, in zerfetzter Kleidung, ausgemergelt. Soldaten in Stalingrad, kämpfend, tot. Die Bilder berühren ebenso wie die Worte.

Was Kriebel und Ourth in der Tufa auf die Bühne bringen ist keine Glorifizierung - sie stellen Sophie Scholl als das dar, was sie war: Ein Mädchen, das dazugehören möchte, das sich auflehnt gegen die Eltern. Eine junge Frau, die nachdenkt, sich und ihre Handlungen hinterfragt, mit Gewissen und Mitgefühl. Keine Heilige - ein menschliches Wesen. Keine Heldin - eine aus Überzeugung Handelnde. Das macht die Geschichte umso glaubwürdiger, die Botschaft in der heutigen Zeit umso wichtiger.

Termine: 16., 17. September (19.30 Uhr), Tufa Trier. Karten: 10 Euro, TV-Service-Center Trier. Schulen: 12.,13.,14.,15.,16. September (10 Uhr), Info: E-Mail judith.kriebel@kulturlabor-trier.de

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