Von Raversbeuren gleich nach Wacken

Raversbeuren · Lange Tradition, treue Fans, gleiches Wochenende, gleiche Gegend: Es gibt vieles, was die Hunsrück-Festivals Lott (in Raversbeu-ren) und Nature One (Kastellaun) verbindet. Aber noch einiges mehr, was sie trennt.

Raversbeuren. Die Erinnerung liegt hinter dickem Milchglas, in der staubigsten Nische des Langzeitgedächtnisses: Irgendwann Mitte der 90er. Die wahnsinnigen Finnen von Waltari nehmen den vollen Exhaus-Keller in Trier auseinander. Oder, in die Wortruinen der Gegenwartssprache gebeamt: "Alder: Es wird ein kompletter Abriss."
Waltari mixen Deathmetal, Techno, Pop und Funk, zuckersüß brachial, sind gnadenlos präzise und zugleich furchtbar unscharf: Denn was Hommage ist, und wo die Parodie anfängt, das lässt sich auch zwei Jahrzehnte später schwer sagen.
Die Frage kann man sich getrost schenken, wenn man Waltari an diesem Freitag von der Wiese aus auf der Lott- Bühne bei Raversbeuren (Rhein-Hunsrück-Kreis) sieht. Härtere Metalbands stehen dort normalerweise nicht auf dem Zettel. Aber Waltari ist eben extrem vielseitig, unterhaltsam sowieso, das wird passen. Und wer eine Deathmetal-Symphonie (!) veröffentlicht und sie "Yeah! Yeah! Die! Die!" nennt, wird zum Lachen nicht in die Vorhölle gehen. Leadgitarrist Sami Yli-Sirniö war schon damals in Trier dabei. Inzwischen ist er 42 - und nach dem Gig auf der idyllischen Lott steht für ihn bereits am nächsten Abend ein Auftritt als Headliner beim Wacken-Open-Air in Schleswig-Holstein an: Dann steht er mit seiner anderen Band auf der Bühne, mit den deutschen Thrashmetal-Legenden Kreator.
Die Lott gibt derweil am Samstag einem neuen Juwel im Indiebereich eine Bühne: Der Niederländer Blaudzun und seine Band spielten in diesem Jahr schon bei großen Festivals wie dem Southside und Hurricane. Noch bekannter ist der Samstags-Headliner Skip the Use (Rock/Elektro), der in seiner Heimat Frankreich aktuell zu den besten Livebands gezählt wird. Insgesamt spielen 20 Bands aus neun Ländern. In den vergangenen Jahren kamen jeweils rund 7000 Besucher. Das Festivalticket für drei Tage kostet 30 Euro.
Ganz nah und doch sehr fern:
Zeitgleich steht 15 Kilometer Luftlinie entfernt das große Techno/Elektro-Festival Nature One auf der ehemaligen Raketenbasis Pydna bei Kastellaun an. Das ist ein paar Nummern größer. Wie der Veranstalter i-Motion mitteilt, ist das dreitägige Open Air inzwischen ausverkauft. Die 20. Auflage - passend "The Golden 20" betitelt - wird 72 000 Fans der elektronischen Musik in den Hunsrück locken, so viele wie noch nie. Konkurrenz machen sich die beiden Veranstaltungen aber nicht: Auf der Lott ist vom Kleinkind bis zum Festivalveteranen alles vertreten. Das musikalische Spektrum ist breit, eher alternativ als Mainstream - wie das Publikum. Bands ohne Gitarre sind die Ausnahme, und Elektro spielt praktisch keine Rolle. Bei der Nature One gibt\'s dagegen so viele Floors, dass man sich kaum mal eine Stunde ruhig hinsetzen mag. Partytauglich sind beide Zielgruppen. Nature-One- und Lott-Gänger dürften aber andere Vorstellungen haben, wie eine gute Party aussehen sollte.Extra

Lott-Festival: 1. - 3. August, Raversbeuren. Freitag: -p-o-p-F-r-e-d (17.10 Uhr), Herr Müller und sein Chaffeur (18 Uhr), Will and the People (GB, 19 Uhr), Waltari (Finnland, 20.30 Uhr), Major Parkinson (Norwegen, 22 Uhr), Birdpen (GB, 23.30 Uhr), BRNS (Belgien, 1.10 Uhr). Samstag (Auswahl): Geoff Berner (Kanada, 19 Uhr, Zirkuszelt), Two Wooden Stones (D, 18 Uhr), Blaudzun (19.30 Uhr), Middleman (GB, 21.20 Uhr), Skip the Use (F, 23 Uhr), Antimatter People (GB, 1 Uhr). Sonntag: u.a. Crazy Crizzy & the Crizzly Beers) Nature One: 1.- 3. August, Kastellaun: Über 20 Floors, 72 000 Besucher - die Geburtstagsparty (20. Auflage) wird so groß wie noch nie. Mit dabei sind unter anderem Sven Väth, Carl Cox, Moonbootica, Ferry Corsten, Paul van Dyk. AF

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