Grenzgänger Rente, Kindergeld & Co.: Tipps für Grenzgänger

Trier · Jede Menge Anrufe und jede Menge Fragen: Zahlreiche Leserinnen und Leser des TV haben bei unserer jüngsten Telefonaktion für Grenzpendler mitgemacht. Wer nicht mit seinem Anruf durchkam, erhält hier noch mal wichtige Tipps unserer Experten für Steuer, Familien- und Arbeitsrecht.

 Wenn ehemalige Grenzgänger Rentenzahlungen aus beiden Staaten erhalten, müssen Betroffene genau hinschauen, wo sie eine Steuererklärung machen müssen.

Wenn ehemalige Grenzgänger Rentenzahlungen aus beiden Staaten erhalten, müssen Betroffene genau hinschauen, wo sie eine Steuererklärung machen müssen.

Foto: dpa/Marijan Murat

Rund 35 000 Grenzgänger haben ihre Arbeitsstelle in Luxemburg. Da tauchen zwangsläufig Fragen zu Recht und Gesetz auf, wenn es um Steuern, Sozialversicherung, Arbeits- und Familienrecht sowie Rente geht. In unserer jüngsten Telefon­aktion hatten unsere Experten in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Anwaltverein in Luxemburg jede Menge zu tun, wie nur einige Fragen und Antworten dokumentieren.

Ich habe mit meinem Mann ein Kind. Wir haben in Luxemburg gelebt. Als wir uns getrennt haben, musste er mir nur 300 Euro Kindesunterhalt zahlen obwohl er weit über 5000 Euro verdient hat. Jetzt lebe ich seit acht Monaten in Deutschland und habe gehört, dass ich höheren Kindesunterhalt verlangen kann.

Stefan Schubert, Fachanwalt für Familienrecht:  Das ist richtig, der Unterhaltsanspruch richtet sich jetzt nach deutschem Recht und ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle. Bei einem 10-jährigen Kind hätten Sie bei einem Einkommen des Kindesvaters von 5000 Euro Anspruch auf Kindesunterhalt von 576,50 Euro. Sie müssen diesen Unterhaltsanspruch aber geltend machen!

Mein geschiedener Mann hat während unserer Ehe sieben Jahre in Luxemburg gearbeitet. Bekomme ich jetzt die Hälfte seiner Rente aus Luxemburg und muss ich diese beantragen?

Schubert: Nein, Sie haben keinen direkten Anspruch auf Zahlung einer Rente aus Luxemburg. Sie haben nur gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann einen Anspruch auf Zahlung der hälftigen luxemburgischen Rente. Den Anspruch müssen Sie ihm gegenüber geltend machen. Voraussetzung ist, dass sie beide Rentenbezieher sind.

Während der Scheidung wurde die luxemburgische Rente meines geschiedenen Mannes nicht ausgeglichen, ich habe nichts bekommen. Er hat wieder geheiratet. Was passiert jetzt, wenn mein Mann stirbt?

Schubert: Sie haben einen Anspruch auf Geschiedenenwitwenpension in Luxemburg, diese müssen Sie aber beantragen. Dass Ihr geschiedener Mann wieder verheiratet ist, ändert daran nichts, nur wenn Sie wieder heiraten, entfällt Ihr Anspruch auf diese Geschiedenenwitwenpension.

Im Scheidungsverfahren wurde ein Gutachten über die luxemburgische Rente meines Mannes erstellt. In diesem Gutachten ist auch ein Abfindungsbetrag von 80 000 Euro ausgewiesen. Kann ich diesen Betrag von meinem geschiedenen Mann verlangen und kann ich damit meine Schulden für mein Haus begleichen?

Schubert: Eine Abfindung können Sie jederzeit verlangen, die Zahlung muss Ihrem geschiedenen Mann aber finanziell zumutbar sein, heißt, er muss über Vermögen oder ein auskömmliches Einkommen verfügen. Sie können allerdings nur eine zweckgebundene Abfindung verlangen, die an einen Versorgungsträger, wie die Deutsche Rentenversicherung zu zahlen ist. Es ist aber möglich eine Vereinbarung zu treffen, dass Sie die Abfindung auch anderweitig verwenden dürfen, dies setzt aber das Einverständnis Ihres geschiedenen Ehemanns voraus.

Wir beziehen deutsches Kindergeld und erhalten die Unterschiedszahlungen aus Luxemburg. Seit Jahren erhalten wir in regelmäßigen Abständen einen Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld. Warum erfolgen diese Anschreiben vonseiten der deutschen Familienkasse?

Michael Richter, Experte für Kindergeldfragen bei der Familienkasse Trier: Die Familienkasse nutzt diesen Vordruck um die Rechtmäßigkeit der laufenden Kindergeldfälle zu überprüfen. Sich daraus ergebene Änderungen werden dann mit dem zuständigen ausländischen Träger für Familienleistungen abgestimmt. Der Kindergeldempfänger ist, ungeachtet von diesem Fragebogen, gegenüber der Familienkasse verpflichtet, relevante Änderungen der Umstände immer zeitnah anzuzeigen.

Wir beide sind Grenzgänger und haben bis Juli das Kindergeld aus
Luxemburg für unseren Sohn erhalten. Dieser bewirbt sich nun um eine Lehrstelle. Erhalten wir für die Dauer der Ausbildungsplatzsuche das Kindergeld weiterhin aus Luxemburg?

Michael Richter: Ihr Anspruch auf Kindergeld ist hier ab August 2021 in Luxemburg entfallen. Für die Dauer der Bewerbungsphase steht Ihnen Kindergeld in Deutschland  zu. Hierfür ist eine Antragstellung in Deutschland erforderlich; Sie können hierfür den Online-Kindergeld-Service der Familienkasse nutzen. Für die Dauer der Berufsausbildung, steht Ihnen dann wieder das Kindergeld vorrangig aus Luxemburg zu.

Ich habe eine neue Stelle in Luxemburg seit dem 1. August 2021 mit einer Probezeit von sechs Monaten. Trotz meiner Krankmeldung wurde ich nun gekündigt, wobei die Kündigungsfrist 24 Tage beträgt. Ist das so richtig?

Mylène Pillet-Carbiener, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Luxemburg: Eine Kündigungsfrist von 24 Tagen bei einer Probezeit von sechs Monaten ist schon in Ordnung. Jedoch darf der Arbeitgeber innerhalb der Krankheitsperiode und auch bei einer Probezeit seinen Arbeitnehmer nicht kündigen, es sei denn, die Probezeit wurde schon vor der Krankheitsperiode mit einem Maximum von einem Monat verlängert und zum aller letzten Moment (= letzte Tag der verlängerten Probezeit – Kündigungsfrist) wurde gekündigt.

Ich habe mehrere Überstunden geleistet. Wie werden diese bezahlt?

Pillet-Carbiener: Jede Überstunde wird im Prinzip mit einer anderthalben Stunde Ruhezeit entgolten oder mit einem Zuschlag von 40 Prozent bezahlt. Bitte beachten Sie auch, dass Sie im Streitfall den Beweis tragen müssen, dass Sie Überstunden geleistet haben und dies auf ausdrücklichen Antrag von Ihrem Arbeitgeber.

Ich bin zur Zeit noch in der Probezeit, jedoch habe ich erfahren, dass ich schwanger bin. Kann ich gekündigt werden?

Pillet-Carbiener: Bei einer Schwangerschaft ist die Probezeit ausgesetzt. Ab dem Tag, an dem die schwangere Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber ein ärztliches Attest über ihre Schwangerschaft vorlegt, wird die Probezeit ausgesetzt. Auch wenn Sie bis zu Ihrem Mutterschaftsurlaub weiterarbeiten, gilt diese Zeit nicht als Probezeit. Die Restdauer der Probezeit läuft nach Ablauf einer Frist von zwölf Wochen nach der Entbindung weiter. Während der Aussetzung der Probezeit genießen Sie Kündigungsschutz. Bitte beachten Sie, dass eine solche Aussetzung nur im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsvertrags gilt.

Wir haben eine Photovoltaik(PV)-Anlage angeschafft. Was müssen wir nun bei der Besteuerung in Deutschland und Luxemburg beachten?

Stephan Wonnebauer, Experte für deutsch-luxemburgisches Steuerrecht: Die PV-Anlage wird normalerweise in Deutschland versteuert. Allerdings gibt es seit diesem Jahr eine Ausnahmeregel, wonach auf Antrag für Anlagen bis 10 kW Leistung keine Gewinnermittlung in der Steuererklärung angegeben werden muss. Die Einkünfte sind dann also steuerfrei.

Da dies jedoch eine rein deutsche Gesetzgebung ist, muss der Gewinn aus der PV-Anlage dennoch in der luxemburgischen Steuererklärung angegeben werden. Praktisch erscheint also die PV-Anlage nicht im deutschen Steuerbescheid, wenn der Steuerpflichtige dahingehend optiert. Hier gibt es also einigen Erklärungsbedarf gegenüber dem luxemburgischen Finanzamt. Dies ist unabhängig von der Umsatzsteuerpflicht. Wer bei einer PV-Anlage die Vorsteuer geltend macht, muss dann für die Folgezeit dennoch eine Umsatzsteuererklärung abgeben, auch wenn die Einkommensteuer entfällt.

Ich bin verheiratet und bin zum 1. Januar 2021 nach Luxemburg gewechselt. Im Januar habe ich aber noch eine Abfindung aus dem alten Arbeitsverhältnis aus Deutschland erhalten. Wo muss diese besteuert werden?

Wonnebauer: Die Abfindung wird in Deutschland auf einer Lohnsteuerkarte abgerechnet. Bei einer Steuererklärung in Luxemburg muss sie angegeben werden. Beträgt die Abfindung mehr als 13 000 Euro oder  mehr als zehn Prozent der Gesamteinkünfte in diesem Jahr, fällt der verheiratete Grenzgänger in die schlechtere Steuerklasse 1 und muss Steuern nachzahlen.

Ich erhalte  Renten aus Deutschland und Luxemburg und zahle für die Luxemburger Rente extra Beiträge an die deutsche Krankenversicherung. Die Rente ist so niedrig, dass ich in Luxemburg keine Steuern zahle. Kann ich die Beiträge in der deutschen Steuererklärung absetzen?

Wonnebauer: Normalerweise wird das Finanzamt dies zunächst verneinen mit der Begründung, dass die Beiträge auf die luxemburgische Rente entfallen und nur in Luxemburg geltend gemacht werden können. Nach dem Urteil Bechtel des Europäischen Gerichtshofes kann der Betrag dennoch in der deutschen Steuererklärung abgesetzt werden, wenn er nicht in Luxemburg geltend gemacht werden kann. Denn der Wohnsitzstaat muss dafür sorgen, dass der Steuerbürger seine unvermeidbaren Versicherungsbeiträge steuerlich geltend machen kann.  Sie müssen also dem deutschen Finanzamt erklären, dass Sie in Luxemburg keine Steuererklärung abgeben und eine steuerliche Geltendmachung nicht möglich ist mangels Steuerzahlung. Dann werden die Beiträge anerkannt.

Meine Firma bietet uns Homeofficearbeit an. Wenn ich aber 45 Tage zuhause arbeite, schaffe ich doch nicht mehr die 90-Prozent-Grenze und falle aus der Steuerklasse 2. Das lohnt sich doch gar nicht für mich?

Wonnebauer: Im luxemburgischen Steuerrecht gibt es eine 50-Tage-Regel. Normalerweise ist bei 50 Tagen Arbeit in Deutschland die 90-Prozent-Grenze schon gebrochen. Denn 50 von 230 gewöhnlichen Arbeitstagen ergibt ein Prozentsatz von 21,74. Allerdings hat Luxemburg mit der Steuerreform noch die Ausnahmeregel der 50 Tage eingeführt. Praktisch kann ein Grenzgänger also bis zu 50 Tagen außerhalb Luxemburgs in einem Home-Office arbeiten und trotzdem noch die Steuerklasse 2 beantragen. Hier gibt es also eine gesetzliche Fiktion, die dazu berechtigt.
Die 50-Tage sollte man übrigens auch wegen der Sozialversicherung einhalten. Bei einer Überschreitung der Tage wegen Arbeiten im Wohnsitzstaat fällt man aus der luxemburgischen Versicherung.

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