Religionsunterricht ade!

Luxemburg · Im September startet der neue Kurs "Vie et société" (Leben und Gesellschaft) in den luxemburgischen Lyzeen (Gymnasien). Er soll den bisherigen Religions- und Ethikunterricht ersetzen. Vermitteln soll er Toleranz, kritisches Denken und die Auseinandersetzung mit bedeutenden Lebens- und Gesellschaftsfragen.

Luxemburg. Seit 2014 wird am Kurs "Vie et société" gearbeitet. Ab September soll der neue "Werteunterricht" in der Sekundarstufe zwei (Enseignement secondaire und Enseignement secondaire technique) eingeführt werden. In die Grundschulen kommt der Kurs erst ab dem Schulbeginn 2017/2018. Lange Zeit war unklar, wie dieser Unterricht aussehen soll. Viel wurde spekuliert. Gerüchte kamen auf, dass er sich nur um die Weltreligionen drehen würde. Nun steht schließlich ein mehr oder weniger fester Plan. Dieser ist sehr breitgefächert und umfasst mehrere Themenbereiche. So fließen unter anderem Philosophie, Natur- sowie Kulturwissenschaften in den Kurs mit ein.
Das Fach "Vie et société" ist auf sechs großen Lernfeldern aufgebaut: Ich, Mensch, Natur und Technik, Ich und die anderen, Kultur und Kommunikation, Lebensformen, Welt und Gesellschaft; das letzte Feld soll sich mit den großen Fragen der Gesellschaft und des Zusammenlebens befassen. In den unterschiedlichen Lernfeldern werden Themen wie die Weltreligionen, Kulturen und Sitten, Sexualität, Gewalt und Aggressionen, Partnerschaft und Liebe sowie die Funktionsweise der Arbeitswelt behandelt. Die Themenvielfalt soll den Schülern Toleranz und Respekt in der multikulturellen Luxemburger Gesellschaft vermitteln. Außerdem soll der Kurs die Schüler zu eigenem kritischen Nachdenken über große Gesellschaftsfragen anregen.
Für die Lehrer, die das Fach unterrichten, steht ein Internetportal zu Verfügung. Dort erhalten sie das entsprechende didaktische Material.
Zurzeit gebe es noch keine Bücher zu dem Fach, das Lehrpersonal könne aber auf Arbeitsmappen zurückgreifen, die als "Lehrerhandreichungen" bezeichnet werden, erläutert Anne Heniqui vom luxemburgischen Bildungsministerium. Bücher seien zwar in der Ausarbeitung, würden aber noch nicht zum diesjährigen Schulbeginn zur Verfügung stehen, so Heniqui weiter. Außerdem wolle man den Lehrern einen gewissen Handlungsspielraum geben - statt eines starren Programms. Heniqui: "Zurzeit ist das Thema Terroranschläge sehr präsent, daher soll das Lehrpersonal die Freiheit haben, auch über solch aktuelle Themen mit den Schülern zu sprechen."

Außerdem gehe es auch darum, dass die Lehrer ein gewisses Gespür für ihre Schulklasse entwickeln und aktuelle Themen selbst behandeln. Dazu könnten etwa Rassismus oder Mobbing gehören. Unterrichtet wird das neue Fach in den Gymnasien ausschließlich von Lehrern, die an der entsprechenden Weiterbildung teilgenommen haben. Für das Lehrpersonal, das bisher für die Kurse in Religion und Ethik zuständig war, stehe die Weiterbildung natürlich auch offen.
Gewisses Gespür für die Klasse


Zur Weiterbildung, die im Juli angeboten wurde, hatten sich 233 Teilnehmer eingeschrieben. "Infolge der großen Nachfrage haben wir eine zweite Session organisiert, diese wird dann ab Oktober stattfinden. Auch hierfür haben sich bisher 240 Personen eingeschrieben", teilt Heniqui mit. Wer die Weiterbildung absolviert hat, kann "Vie et société" sofort unterrichten. Für das bisherige Personal des Religions- und Ethikunterrichts in den Grundschulen ist es dagegen nicht so leicht, zum Kurs "Vie et société" zu wechseln. In den Grundschulen ist vorgesehen, dass vor allem die sogeannten Titulaires de classe, also die Klassenlehrer, den Kurs unterrichten. Die Lehrer des bisherigen Religions- und Ethikunterrichts werden laut Heniqui im Bildungswesen anderweitig verteilt.
In den Grundschulen wird der Kurs "Vie et société" genauso aufgebaut sein wie in den Lyzeen - also ebenfalls auf den sechs Lernfeldern basieren. Heniqui: "So kann der Kurs schulübergreifend gestaltet werden, was im Hinblick auf einen fließenden Übergang von der Grundschule zum Lyzeum auch sinnvoll erscheint."
Die Autorin ist Redakteurin beim Luxemburger Tageblatt.

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