Morbach Erstmals Storchenbabys in der Region Trier

Morbach · Ein Paar der streng geschützten Vogelart brütet  derzeit in Morbach. Vor Ort ist die Freude groß, die Reaktion der Naturschützer ist noch verhalten. Denn die Jungen müssen erstmal durchkommen. Die Fachleute warnen: Die Tiere dürfen keinesfalls gestört werden.

 Ein seltener Anblick: Normalerweise sitzt ein Elternteil im Nest und verbirgt die Storchenbabys mit seinem Körper. Der Fotograf hat den seltenen Moment abgepasst, wo der Nachwuchs zu sehen ist.

Ein seltener Anblick: Normalerweise sitzt ein Elternteil im Nest und verbirgt die Storchenbabys mit seinem Körper. Der Fotograf hat den seltenen Moment abgepasst, wo der Nachwuchs zu sehen ist.

Foto: Hans Krämer/HANS KRAEMER

Es ist eine kleine Sensation. Auf einer Trafostation in Morbach brütet ein Storchenpaar. Und es hat seit wenigen Tagen Junge. Auch wenn der Nachwuchs noch nicht zu sehen ist, man hört ihn. „Ich meine, drei kleine Köpfchen gesehen zu haben, aber von den Storcheneltern sitzt ständig einer drauf“, sagt Landwirt Arthur Baumgart,  dessen Hof in Nestnähe liegt. Auf den Aufnahmen unseres Fotofragen sind allerdings nur zwei zu sehen. Es handelt sich um die erste dokumentierte  freie Ansiedlung von Weißstörchen in der Region Trier. Das sagt Ingrid Dorner, Ansprechpartnerin der Landesarbeitsgemeinschaft Weißstorch des Naturschutzbundes (Nabu) Rheinland-Pfalz.

Dass das nistende Storchenpaar in der Region etwas Besonderes ist, kann man bei der Aktion Pfalzstorch, einem Verein, der Naturschutz mit Störchen betreibt, das bestätigen. Auf deren Homepage ist eine Nesterkarte zu sehen, die in der Region Trier nur ein einziges besetztes Storchennest zeigt: das in Morbach (www.pfalzstorch.de). Die nächsten sind  nach Angaben des Vereins in Gebroth im Soonwald in rund  60 Kilometern Entfernung  zu finden und in Ulmet, Landkreis Kusel im Nordpfälzer Bergland, in 58 Kilometern Entfernung.

Der Morbacher Landwirt ist noch ganz aus dem Häuschen. „Das ist doch toll, wenn hier bei uns Störche nisten und brüten“, freut  sich Baumgart. Er hat die gefiederten Gäste ständig im Auge, hat sogar die Paarung auf einem Silo mitverfolgt –  und auch den Nestbau. Dafür hatte sich das Paar der streng geschützten Art einen gefährlichen Platz ausgesucht: eine Gittermast-Trafostation des Verteilnetzbetreibers Westnetz (der Volksfreund berichtete, siehe Info). Das hatten Mitarbeiter des Unternehmens offenbar schon in der Anfangsphase bemerkt  und den Mast so umgebaut, dass es im direkten Umfeld „keine spannungsführenden Teile mehr gibt“, sagt David Kryszons auf Anfrage des Volksfreundes. Die von den Mitarbeitern entfernten Äste hat  Baumgart übrigens vor sein Silo gelegt, wo er zuvor eine Bruthilfe installiert hatte. Er wollte die Tiere damit zu einem anderen Nistplatz locken – vergebens. Der neue Horst entstand am alten, jetzt aber immerhin deutlich besser gesicherten Platz.

Stromschläge gelten als die häufigste Todesursache von Weißstörchen. Doch auch wenn die Morbacher Storchenfamilie davor jetzt weitgehend geschützt sind,  sind sie noch längst nicht über den Berg. Das Wetter ist derzeit ungünstig. Die Nässe macht dem Nachwuchs zu schaffen. Es sei nicht sicher, dass alle Jungtiere durchkommen, betont die Fachfrau vom Nabu.

Doch nicht nur der einen Storchenfamilie gilt die Aufmerksamkeit des Landwirtes. „Ich habe schon zehn Störche rund um meinen Traktor gesehen und einen weiteren am Nest“, staunt der Landwirt noch immer. Jessica Lehmann, Leiterin des Storchenzentrums in Bornheim bei Landau, wundert diese Schilderung nicht. Denn Störche fressen unter anderem Heuschrecken, Käfer, Regenwürmer und Insekten. Pflügt der Bauer, ist der Tisch der Schreitvögel  reichlich gedeckt. Und: Die  können die Thermik nutzen und  bis zu 4000 Meter hoch fliegen. Sehen sie anderswo Artgenossen, fliegen sie dort schon einmal hin, erklärt Lehmann weiter.

Warum brüten die Tiere in einer Gegend, wo es weit und breit keine anderen Storchennester gibt? Darauf hat Lehmann  keine zufriedenstellende Antwort. Man wisse wohl, was Störche bevorzugten, nämlich offene Wiesenlandschaften und  Feuchtgebiete, aber man könne nicht sagen, bei welchen Faktoren sie sich ansiedelten oder eben auch nicht. Ob Corona eine Rolle spielt? Schließlich hat es in den vergangenen Wochen und Monaten zum Beispiel weniger Verkehr gegeben? Nein, das schließt Lehmann aus. „Möglicherweise werden sie auf dem Weg- oder Heimzug in der Gruppe von den begleitenden, erfahrenen Störchen mitgerissen und bleiben dann  einfach da“, vermutet Dorner.

Neben schlechter Witterung  und Stromschlägen gibt es eine weitere Gefahrenquelle. Störche dürfen beim Brüten nicht gestört werden. Das gilt vor allem für Tiere wie die in Morbach, die wohl zum ersten Mal Eltern werden. Deshalb hat der Gesetzgeber ein Störungsverbot ausgesprochen. Man darf sich dem Nest nicht nähern. Dorner zählt auf, was Störche bei der Brut und Aufzucht der Jungen nicht mögen:  freilaufende Hunde, parkende Autos, Menschenaufläufe und tobende Kinder im unmittelbaren Nestumfeld. Auch ein Drohnenflug zum Nest verbietet sich bei der streng geschützten Art. Laut Dorner wäre das sogar eine Straftat.

 Landwirt Arthur Baumgart engagiert sich sehr für die Störche und hat extra Nisthilfen gebaut.

Landwirt Arthur Baumgart engagiert sich sehr für die Störche und hat extra Nisthilfen gebaut.

Foto: Hans Krämer/HANS KRAEMER

Geht alles gut, werden die Tiere bis August auf  der Trafo-Station bleiben. Dann geht es ab in Richtung Süden. Baumgart hofft, dass das Storchenpaar im nächsten Jahr wiederkommt – und dann eine seiner Nisthilfen annimmt. Und er glaubt das auch. „Denn Störche sind nicht partnertreu, sondern nesttreu.“ Das heißt: Die Altstörche kehren immer wieder zu ihrem alten Nest zurück. Und Lehmann geht sogar noch weiter: „Wo ein Storchenpaar ist, da wollen über kurz oder lang noch weitere hin.“ Das heißt, die Morbacher können auf die Dauer noch mit weiteren brütenden Storcheneltern rechnen.

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