Glaube im alltag

Immer wieder machen wir die Erfahrung, warten zu müssen: an der roten Ampel, im vollen Wartezimmer, in der Schlange an der Kasse des Supermarktes, in den vier Wochen der Adventszeit bis Weihnachten. Da wird unsere Geduld auf die Probe gestellt.

Hat das Warten überhaupt einen Sinn? Eine Geschichte erzählt von einem blinden Mann, dessen Begleiter ihn nach Absprache an einer verkehrsgeschützten Ecke eines Großstadtbahnhofs kurz allein zurückließ. Er wollte ihm das Gewühl am Schalter ersparen. Als er zurückkehrte, sah er ihn schon von weitem stehen, während die Menschen an ihm vorbeihetzten. Der blinde Mann stand ganz still da. Der Begleiter blieb in kurzer Entfernung auch stehen und sah in sein Gesicht. Die Schritte und Geräusche um ihn schienen für den blinden Mann keine Bedeutung zu haben. Er wartete. Es war ein geduldiges, vertrauensvolles und gesammeltes Warten. Auf seinem Gesicht lag ein wunderbarer Schein der Vorfreude, dass sein Begleiter wieder kommen und ihn bei der Hand nehmen würde. Das faszinierte den Begleiter. Müsste nicht so auch das Advents-Gesicht der Christen aussehen? Die Zeit des Wartens kann zu einer geschenkten Zeit werden. Es hilft mir nichts, wenn ich mich über das Warten aufrege. Dafür ist die Zeit zu kostbar. Warten zu können kann zu einer neuen Haltung und Sichtweise führen. Wenn ich Situationen gelassener angehe, kann ich neue Entdeckungen um mich herum machen. Ich kann die Zeit nutzen, um einmal durchzuatmen und an die Menschen zu denken, die mir begegnen, die mir wichtig oder in Not sind. Wir feiern jetzt den zweiten Advent. Die Adventszeit ist eine geschenkte Zeit der Besinnung, der Umkehr und Vorfreude. Sie will uns das Warten entgegen der Schnelllebigkeit schmackhaft machen. Wenn wir Jesus, das Christuskind, in dem Gott uns auch an Weihnachten 2011 mit seiner Liebe beschenken will, erwarten, ist dann nicht die wichtigste Vorbereitung, wie der blinde Mann innezuhalten, achtsam und dankbar zu leben? Wir können uns neu öffnen, dass er bei uns ankommen und uns mit seiner Liebe und Nähe in unserem Leben beschenken kann. Diese Erfahrung wünsche ich Ihnen. Manfred Walter ist Pastoralreferent in Wittlich

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