Drama um die Familie Steinmeier

Gewusst hat er es schon länger, aber die Öffentlichkeit informiert SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kurzfristig am Montagmorgen: Er wird sich ab sofort für einige Wochen zurückziehen, um seiner schwer erkrankten Frau eine Niere zu spenden.

Berlin. Unmittelbar nach seiner Mitteilung an die Öffentlichkeit hat sich Frank-Walter Steinmeier (54), bei der vorigen Bundestagswahl Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten, in eine Klinik in Nordrhein-Westfalen begeben. Dort begannen die Voruntersuchungen für die Nierentransplantation.

Steinmeiers Frau, die 48-jährige Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender, leidet seit der Geburt der gemeinsamen Tochter im Jahr 1996 an einer Nierenschwäche und musste stets strenge Diäten einhalten. Im Frühjahr hatten sich ihre Blutwerte verschlechtert, so dass schließlich im Frühsommer die Entscheidung fiel, eine Transplantation zu wagen. Die Familie habe zunächst nach anderen Therapien gesucht, die aber nicht zur Verfügung standen, sagte der SPD-Politiker. Wegen der langen Wartezeiten für Spendernieren habe er sich dann zu einer Lebendspende entschieden.

Gemeinsam war die Familie im Juli noch im Urlaub in Südtirol, ehe nun für diese Woche die Operation angesetzt wurde. Steinmeier hat sich während des Urlaubs das Rauchen abgewöhnt. Der dienstälteste Fraktionsvize, Finanzexperte Joachim Poß, werde während seiner Abwesenheit die Fraktion führen, sagte Steinmeier. Er selbst werde voraussichtlich im Oktober zurückkehren und nach menschlichem Ermessen keine Einschränkungen haben.

Elke Büdenbender war der breiteren Öffentlichkeit im letzten Jahr bekannt geworden, als sie ihren Mann aktiv im Wahlkampf unterstützte und dazu auch in Fernseh-Talkshows auftrat. Dabei hatte sie zumeist ein sympathisches Bild abgegeben. Vorher hatte sie sich wenig in der Öffentlichkeit gezeigt.

Wie andere Menschen auch werden Spitzenpolitiker von Schicksalsschlägen nicht verschont. Bekannt ist das Beispiel des damaligen Vizekanzlers Franz Müntefering (SPD), der im November 2007 plötzlich von allen Ämtern zurücktrat, um seine krebskranke Frau Ankepetra zu pflegen. Zehn Monate später starb sie, und Müntefering kehrte im Oktober 2008 wieder als SPD-Chef auf die politische Bühne zurück, nachdem seine Partei in eine Führungskrise geraten war.

Ganz selten über ihre Sorgen geredet haben der frühere Bundespräsident Horst Köhler und seine Frau Eva-Luise, deren inzwischen erwachsene gemeinsame Tochter als Teenager erblindete. Altbundeskanzler Helmut Kohl musste die letzen Jahre seiner Amtszeit mit dem Wissen leben, dass seine Frau Hanneolore an einer seltenen Lichtallergie litt. Zuletzt konnte sie das Haus gar nicht mehr verlassen. 2001, als Kohl nicht mehr amtierte, nahm sie sich das Leben. Eine Organspende durch einen aktiven Spitzenpolitiker ist bisher nicht bekannt. 2003 gab es einmal den umgekehrten Fall, als der CSU-Bundestagsabgeordnete Josef Göppel von seiner Frau eine Niere erhielt.

Stichwort Nierentransplantation: Mit einem zwei- bis vierstündigen chirurgischen Eingriff unter Vollnarkose wird einem Spender die gesunde Niere entnommen und möglichst schnell in die Beckenregion des Nierenkranken verpflanzt. Dessen eigene in der Flankenregion liegenden Nieren bleiben in der Regel im Körper. Die Operation erspart dem Empfänger oft eine lebenslange Dialyse (Blutwäsche).

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