Pflegeeltern verzweifelt gesucht

Trier · Immer weniger Menschen sind bereit, Pflegekinder in ihrer Familie aufzunehmen. Die Kinder kommen stattdessen in Heime. Um diesen Trend zu stoppen, suchen engagierte Pflegeeltern in Trier nun nach Mitstreitern. Am Sonntag informieren sie im Trierer Palastgarten über die aus ihrer Sicht bereichernde Aufgabe.

Trier. Die einen kommen schon als Babys in die Pflegefamilie, andere mit drei, fünf oder fünfzehn Jahren. Doch ist das Alter fast egal. "Jedes Kind bringt sein Päckchen mit", sagt die Triererin Sonja Müller (Name geändert), die selbst fünf Pflegekinder hat. Etwa 4400 Pflegekinder leben in Rheinland-Pfalz.
In extremen Fällen mussten sie aus ihren Ursprungsfamilien herausgenommen werden, weil sie geschlagen oder missbraucht wurden. In anderen, weil sich niemand wirklich um sie kümmert, weil die Eltern drogensüchtig sind, obdachlos oder einfach nicht in der Lage, den Kindern das zu geben, was Kinder brauchen: Liebe, Verständnis, Geborgenheit, einen Halt und für die Schule ein Pausenbrot. Denn selbst das gibt es in vielen Familien nicht.
Jugendämter suchen für solche Kinder nach Familien, die all das bieten können. Eine Suche, die sich immer schwieriger gestaltet. Insbesondere in Trier, wo das Problem größer ist als auf dem Land. "Wir brauchen immer Pflegeeltern", sagt Inge Schöndorf vom Trierer Kinderpflegedienst. Doch auch der Leiter des Jugendamtes Bitburg-Prüm, Josef Winandy stellt fest, dass die Zahl der Familien zurückgeht, die bereit sind, Kinder aufzunehmen.
Die Ursachen: Bei vielen Paaren sind beide berufstätig und haben keine Zeit. Insbesondere in den Städten ist aber auch der Wohnraum ein Problem. Familie Müller hat lange versucht, in Trier eine Wohnung zu finden, die für fünf Kinder geeignet ist. Keine Chance. "Wir haben dann ein Haus gekauft", sagt die vielfache Pflegemutter.
Ein anderer Grund dafür, dass sich immer weniger Menschen als Pflegeeltern anbieten, könnte aber auch das schlechte Image sein, das dieser Aufgabe anhaftet. Hört man doch hauptsächlich davon, wenn etwas Schreckliches passiert ist - und hat die Zusammenarbeit mit Jugendämtern doch den Ruf, schwierig zu sein.Zahl der Heimkinder steigt


Die Folge all dessen ist, dass oft nichts anderes übrigbleibt, als die Kinder in Heimen unterzubringen. Dort finden sie meist nicht die gleiche Geborgenheit wie in einer Familie. Zudem kostet ein Heimplatz die Kommunen deutlich mehr Geld. 2007 kamen 102 Trierer Kinder in Heimen unter, 2011 waren es 160. Auch in der Vulkaneifel oder dem Kreis Trier-Saarburg belegen die Statistiken einen deutlichen Anstieg.
Die Jugendämter inserieren ohnehin permanent, um neue Familien zu finden. In Trier ergreifen nun auch engagierte Pflegeeltern selbst die Initiative, um zu verhindern, dass immer mehr Kinder ins Heim müssen. Sie wollen mit Klischees aufräumen und andere dafür begeistern, selbst Pflegeeltern zu werden. Denn bei allen Problemen die die oft traumatisierten Kinder mit sich bringen, sei die Aufgabe eine "riesige Bereicherung" und die Glücksmomente ebenso groß wie jene, die man mit den leiblichen Kindern erleben kann. Auch die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt funktioniere entgegen aller Klischees bestens.
Mit einer Adoption ist die Aufnahme eines Pflegekinds natürlich nicht gleichzusetzen. Denn der Kontakt zu den leiblichen Eltern bleibt bestehen. Und auch wenn die emotionale Bindung groß ist, kann es sein, dass das Kind wieder in seine Ursprungsfamilie zurückkehrt. Sonja Müller, die selbst keine Kinder mehr bekommen konnte, hat auf diesem Weg dennoch die Großfamilie gefunden, die sie sich immer gewünscht hatte.
Alle, die sich bei den Trierer Pflegeeltern ganz unverbindlich darüber informieren möchten, was es bedeutet, diese Aufgabe zu übernehmen, finden am Sonntag, 26. Mai, zwischen 14 und 18 Uhr beim Trierer Kindertag im Palastgarten Ansprechpartner.Extra

Wer Interesse hat, ein Pflegekind aufzunehmen, sollte sich zu einem Beratungsgespräch an den Pflegekinderdienst des zuständigen Jugendamts wenden. Voraussetzung sind Zeit, Geduld und Durchhaltevermögen, da viele Pflegekinder Schlimmes erlebt haben, genügend Platz in der Wohnung und finanziell gesicherte Verhältnisse. Seminare bereiten auf die Aufgabe vor. Abhängig vom Alter des Kindes zahlen die Jugendämter zwischen 714 und 875 Euro monatlich. Darin enthalten ist eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 227 Euro. kah

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