Theater Ein intelligentes Spiel mit Humor und Tiefgang

Trier · Joya Ghosh inszeniert „Die Wunderübung“ des österreichischen Schriftstellers Daniel Glattauer im Bürgerhaus Trier-Nord. Das Publikum ist begeistert.

 Der Paarberater (Jörg Harald Werron, links) ist völlig erschöpft von der Therapiesitzung. Das Ehepaar Dorek (Britta Werksnis und Jan Philip Keller) versucht, ihn wieder aufzumuntern.

Der Paarberater (Jörg Harald Werron, links) ist völlig erschöpft von der Therapiesitzung. Das Ehepaar Dorek (Britta Werksnis und Jan Philip Keller) versucht, ihn wieder aufzumuntern.

Foto: Michael Thielen

Das entfremdete Ehepaar Dorek (Britta Werksnis, Jan Philip Keller) sieht sich mit den Trümmern seiner langen Ehe konfrontiert. Die anfangs romantische Beziehung ist nach über einem Dutzend Jahren zu einem gnadenlosen Kampfplatz mit wechselseitigen Sticheleien, Kränkungen und Demütigungen verkümmert. Da wird ohne Rücksicht genörgelt, gegiftet und verächtlich gemacht, es gibt Machtkämpfe und Schrei­orgien. Und so endet die Ehe der Doreks vorläufig in der Praxis eines Therapeuten (Jörg Harald Werron). Er zaubert zunehmend verzweifelt und entnervt alle Psycho­tricks seines Berufs aus dem Hut, um den Rest an verschütteter Zuneigung doch noch zu Tage zu befördern. 

Autor Daniel Glattauer seziert hier erbarmungslos, wozu eine Ehe verkommen kann, wenn Alltag, Gewohnheit und Gleichgültigkeit sie allmählich zersetzen. Aber trotz aller Tristesse zaubert der Österreicher, der sich auch als Unterhaltungsschriftsteller sieht, immer wieder heitere, komödienhafte Augenblicke hervor. Zu lachhaft ist ja auch das Verhalten der Beteiligten. Und so viel Elend kann man ja auf Dauer auch gar nicht ertragen, ohne schon mal in ein befreiendes Gelächter auszubrechen. Das Premieren­publikum, rund 30 Zuschauer, amüsierte sich jedenfalls köstlich über etliche absurde Szenen aus dieser Ehe, die wohl allzu sehr bekannt sind.

Die Regisseurin setzt erfolgreich auf das Komödienhafte des Drei-Personen-Stücks. Vor allem im zweiten Teil nach der Pause, nach einer überraschenden Handlungswende, nimmt das Stück deutlich Fahrt auf. Hier kann Werron den offensichtlich völlig überforderten Therapeuten genüsslich und überdreht ausspielen. Großes Vergnügen im Publikum, wenn er sich vergeblich bemüht, während eines lautstarken Streits der Doreks zu Wort zu kommen oder in einer eher nachdenklichen Szene ins saarländische Idiom fällt.

Heiterkeit kommt auch auf, wenn Britta Werksnis als Ehefrau die Affäre ihres Mannes – „Brischit“ – in Oberbillig verortet oder bei der Psychoübung „Rollentausch“ die Eigenheiten ihres Mannes pointiert auf die Schippe nimmt und seine Charakterschwächen entlarvend ausbreitet. Sie glänzt bei der Darstellung der scharfzüngigen, wohl­formulierten und vor allem selbstsicheren Ehe­frau, die mit ganzem Einsatz um ihr Lebensglück ringt.

Jan Philip Keller spielt überzeugend den erfolgreichen Anzugsträger, eher resigniert und müde, oft abwesend, manchmal aufbrausend. Er ist ein erfahrener Streiter – geschickt kontert, übertreibt und verharmlost er. Kein Frauenversteher, ist er aber doch erleichtert, als das Paar sich wieder näher kommt.

Der Regisseurin ist es gelungen, die Zuschauer vergessen zu machen, an welch kargem Spielort, dem Bürgerhaus Nord, man sich bei der Aufführung befindet: schwarze Vorhänge an den Fenstern, Fliesen auf dem Boden, ein paar Sitzgelegenheiten, ein Tisch, zwei große Strahler. Die eher harten Stühle für die Zuschauer sind jedoch so angeordnet, dass man sich mitten im Geschehen, im Behandlungsraum des Paarberaters befindet und quasi mit therapiert wird. Das hat dem anwesenden Publikum sehr gefallen – es applaudierte im Stehen.

Weitere Aufführungen am 15. und
16. Oktober, jeweils 20 Uhr, im Bürgerhaus Trier-Nord. Karten online unter

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