Duell im Palastgarten: Klassik gegen Rock

Trier · Koordination und Absprache gehören nicht direkt zu den Stärken des Trierer Kulturlebens. Aber was sich jetzt für den Sommer im Palastgarten abzeichnet, ist eine Kollision der besonderen Art: Rock-Konzert trifft an zwei Abenden auf Klassik-Festival. Entfernung nach Luftlinie: 100 Meter.

Trier. Seit Jahren gehören die Open-Air-Konzerte des Mosel Musikfestivals (MMF) im beschaulichen Innenhof des kurfürstlichen Palais zu den sommerlichen Kultur-Highlights in Trier. Die Besucher lieben vor allem die filigrane Akustik des von der Außenwelt abgeschotteten Atriums, das feinste musikalische Hör-Erlebnisse ermöglicht.
Nur einmal wurde das Idyll gestört: Im Jahr 2008 gab es parallel zu einem Bläser-Auftritt ein Popkonzert auf der benachbarten Palästra vor den Kaiserthermen. Der TV-Kritiker registrierte mit Grausen "die im Laufe des Abends stetig wachsende Lärm-Belästigung durch die Geräusch-Emissionen von außen, die sich unüberhörbar an den Zinnen des Palais brachen und in den Innenraum hinunterträufelten".Festival-Chef Lewen stinksauer


Kein Wunder also, dass Festival-Chef Hermann Lewen vergangene Woche erst einen Schweiß- und dann einen Wutausbruch bekam, als er die Ankündigung für ein fünftägiges Rock- und Kinofestival im Palastgarten entdeckte, das gleich an zwei Abenden (19., 20. Juli) mit seinen Konzerten kollidiert.
Es dürfte schwerlich zu seiner Beruhigung beigetragen haben, dass der Austragungsort diesmal nicht die Palästra sein sollte, sondern die Freifläche neben Palais und Kreisverwaltung, über dem Mustor-Parkhaus, keine 100 Meter von Lewens Bühne entfernt.
Diese Fläche sei ihnen vom städtischen Grünflächenamt ausdrücklich vorgeschlagen worden, sagt Stefan Stanisavac vom Veranstalter Schneider Promotion. Man hätte ursprünglich die Liegewiese am Teich für das Festival ins Auge gefasst, sei aber mit der Verwaltungsalternative einverstanden gewesen. "Wir hatten bis gestern keine Ahnung, dass es da Probleme geben könnte", versichert Stanisavacs Kollege Matthias Schabio.
Die Stadt wiederum verweist darauf, dass es zwar allgemeine Information gegeben habe, aber keine konkrete Genehmigung für einen bestimmten Termin. "Formell haben wir keine Genehmigung", räumt auch Schabio ein. Er ist in keiner beneidenswerten Situation, hat er doch bereits kräftig die Werbetrommel für das "SoundVision-Festival" gerührt, sogar Karten verkauft und dabei eine "gute Nachfrage" notiert. Kein Wunder angesichts eines attraktiven Programms mit Bands wie Pickers, The Love Bülow und Between Borders in Verbindung mit frischen Kinofilmen. Offenbar hat aber die Kommunikation zur Stadt nicht funktioniert, obwohl Schneider Promotion als langjähriger Betreiber des Messeparks über beste Verbindungen verfügen müsste.
Eine städtische Genehmigung, darauf verweist Ralf Frühauf vom Presseamt, habe aber auch das Mosel Musikfestival bislang nicht. Allerdings ist die Frage, ob Hermann Lewen eine solche für seine Konzerte überhaupt braucht - schließlich spielen sie sich auf dem Innengelände der ADD ab, und die ist einverstanden. Die Stadt muss allenfalls den Getränkeausschank im Außenbereich genehmigen. Zudem kann sich das MMF auf eine Art Gewohnheitsrecht berufen. Lewen fordert eine klare Lösung, "sonst gibt es eine Katastrophe und Blamage für alle Beteiligten".
Fürs Erste sind jedenfalls alle auf dem Baum. Auch Triers Kino-Kulturpapst Dirk Ziesenhenne, der sich darüber beklagt, dass die Stadt nichts für die einheimischen, nachhaltigen Kultur-Unternehmer tue und Konkurrenten bevorzuge. Mit ähnlichen Vorwürfen hatte sich erst kürzlich Promotor Ingo Popp aus dem Geschäft zurückgezogen. Die SoundVision-Veranstalter wollen derweil retten, was zu retten ist. "Wir können über eine Ausweichfläche reden, notfalls auch über einen Ausweichtermin", sagt Matthias Schabio. Allerdings: Irgendwo an den Stadtrand will er nicht. Ein anspruchsvolles Programm, so seine Forderung, brauche auch ein angemessenes Ambiente.Meinung

Programmierte Pannen
Ach, was könnte das Leben so einfach sein. Irgendwo bei der Stadt müsste jemand einen "amtlichen", möglichst vollständigen Kulturkalender führen, und jeder, der eine Veranstaltung plant, könnte dort einfach reinschauen. Und wenn er eine Genehmigung braucht oder öffentliche Zuschüsse will, wäre er sogar dazu verpflichtet. Wer seine Veranstaltung nicht anmeldet, bekommt keinen öffentlichen Raum für Werbung und keine Unterstützung der Stadt. Da wären die Koordinations-Probleme schnell beseitigt. So lange das niemand auf die Reihe kriegt, wird es immer wieder solche Pannen geben wie in Sachen Palastgarten. Zum Schaden aller Beteiligten und des kulturinteressierten Publikums. Denn Trier kann beides gut gebrauchen: das gediegene Mosel Musikfestival und die jungen Wilden von SoundVision. Natürlich ist das Mosel Musikfestival in diesem Fall gesetzt. Aber die Verwaltung sollte sich anstrengen, eine tragfähige Lösung zu finden, die auch das Angebot für die jüngere Zielgruppe nicht außen vor lässt. d.lintz@volksfreund.de

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