Eine Frau, viele Bücher und 40 gemeinsame Jahre

Trier · Ein unscheinbares Eckhaus in der Friedrich-Wilhelm-Straße in Trier - dort ist die kleine Bibliothek Herz Jesu, in der Mathilde Barthel 40 Jahre lang gearbeitet hat. Hier band sie Bücher ein, schrieb Karteikarten. Weil die Nachfrage fehlt, schließt die Bibliothek jetzt. Was bleibt, sind Erinnerungen.

 Die 73-jährige Mathilde Barthels hat 40 Jahre ihres Lebens der kleinen Bibliothek Herz Jesu gewidmet. Nun wird sie aufgelöst. TV-Foto: Katharina Neumann

Die 73-jährige Mathilde Barthels hat 40 Jahre ihres Lebens der kleinen Bibliothek Herz Jesu gewidmet. Nun wird sie aufgelöst. TV-Foto: Katharina Neumann

Trier. Akkurat geordnet und staubfrei stehen die Bücher in den Regalen. Fast so, als würde jeden Moment jemand durch die Tür kommen und eines von ihnen ausleihen wollen. Aber das wird nicht passieren: "Die werden bald alle abgeholt. Manche der Bücher übernehmen andere Bibliotheken, ein paar werden auf Flohmärkten verkauft. Zwei große Kisten gingen auch an eine Grundschule in Euren", sagt Mathilde Barthel und schaut sich gedankenverloren um.
Menschen ganz nah


Da stehen sie, die Bücher. Ihre Bücher. "Ich hab die Dinger alle mal in der Hand gehabt, fast alle gelesen." Mathilde Barthel, die heute 73 Jahre alt ist, arbeitete genau 40 Jahre in der kleinen katholischen Bibliothek, die zur Pfarrgemeinde St. Matthias gehört. 40 Jahre organisierte sie neue Bücher, band sie ein, ordnete ihnen eine Nummer und eine Karteikarte zu, lieh sie an Kinder und Erwachsene aus.
Weil die Arbeit hier ehrenamtlich war, ging Mathilde Barthels nebenbei einer Beschäftigung in einem Buchhandel nach: "Aber der Dienstag! Der war mir heilig! Den habe ich mir immer freigehalten", sagt Barthels. Denn Dienstag war Ausleihtag in der Bibliothek Herz Jesu - von 16 bis 19 Uhr. Jeden Dienstag war das so, 40 Jahre lang.
Alles begann im Jahr 1948. Da war Mathilde Barthels selbst noch ein Kind. Ihr Vater nahm sie mit in die neue, kleine Bibliothek Herz Jesu. Mathilde Barthels wurde älter, heiratete, bekam drei Kinder. Die Bibliothek rückte in dieser turbulenten Zeit erst einmal in den Hintergrund. 1965 bemerkte sie, dass ein Lehrer ihres Sohnes die Bibliothek Herz Jesu übernommen hatte: "Dann haben wir ein bisschen gebatschelt. Er hat gefragt, ob ich nicht dort arbeiten will. Da habe ich gedacht: Klar, das könnte ich doch eigentlich machen."
33 Jahre war Mathilde Barthels damals. Heute ist das genau 40 Jahre her. Und jetzt schließt ihre geliebte Bibliothek für immer. Was bleibt? Viele schöne Erinnerungen. Zum Beispiel an die Veranstaltungen für und mit Kindern, an die Buchausstellungen und an die Preisrätsel: "Es waren mal Vorleser, mal Autoren da. Ein Clown kam auch mal. Das war toll", sagt Barthels und fügt nach kurzer Gedankenpause hinzu: "Aber mit einem Clown kann man die Kinder heute nicht mehr locken."
Mathilde Barthels glaubt, dass die Ansprüche der Kinder sich einfach geändert haben: "Ballett hier, Musikunterricht da. Die haben ja gar keine Zeit mehr!" Außerdem hätten mittlerweile viele Kindergärten und Schulen ihre ganz eigenen Bibliotheken, eine kleine öffentliche wie die von Herz Jesu habe da keine Überlebenschance, meint Barthels. Und so ging die Nachfrage stetig zurück in den vergangenen Jahren.
Nach der Schließung will sich Mathilde Barthels ganz ihrem Haus, ihrer Familie, ihren Freunden und dem Reisen widmen - schon bald geht es nach Südfrankreich. Trotzdem, die Bibliothek wird ihr sehr fehlen: "Als Andenken könnte ich hier eigentlich alles mitnehmen. Es war halt mein Leben." kne

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