Tote durch Toleranz

TRIER. Als Mädchen geschlagen, als Jugendliche zwangsverheiratet, nach der Flucht in ständiger Todesangst: Die Lebensgeschichte, die die Muslimin Fatma Bläser bei einem Vortrag in Trier erzählte, rührt an. Es sei die Geschichte vieler Musliminnen, sagt Fatma Bläser – auch in Deutschland, auch heute noch.

Ein Polizeiauto steht demonstrativ vor dem Karl-Marx-Studienzentrum, die beiden Beamten vor dem Eingang sehen sich jeden Besucher genau an. Fatma Bläser, die Frau, die an diesem Abend zum Vortrag erwartet wird, entging mehreren Mordkomplotten nur knapp. Erst im April dieses Jahres wurde während einer Lesung in Saarbrücken ihr Wagen manipuliert. Mutmaßliche Täter: Muslime, vielleicht aus der eigenen Familie, die Fatma Bläser ihren Mut nicht verzeihen. Den Mut, offen über ihre Lebensgeschichte zu schreiben und zu sprechen, die auch ihr Trierer Publikum bewegt. "Es gibt Dinge, die nicht verhandelbar sind"

Schon als Kind in Ostanatolien erlebte sie die Unterdrückung muslimischer Frauen am eigenen Leib. Während ihrer Jugend in Deutschland schlug sie der Vater regelmäßig krankenhausreif - weil sie fünf Minuten zu spät von der Schule nach Hause kam oder wegen ähnlicher Lapalien. Mit 15 versuchte sie sich umzubringen. Zwei Jahre später wurde sie zwangsverheiratet. Als sie aus dieser Ehe floh, versuchte ihre Familie, sie zu umzubringen - um durch den Tod die Ehre wiederherzustellen. Als sie in ihrem Buch "Hennamond" ihr Leben niederschrieb, heuerten die Angehörigen sogar einen Killer an, dem sie nur durch Zufall entkam. Das Schlimme, sagt Fatma Bläser bei ihrem Vortrag in Trier, sei, dass diese Geschichte nicht nur ihre eigene sei. Bei vielen Lesungen in Schulen kämen muslimische Mädchen zu ihr und sagten: "Sie haben nicht nur ihr Leben erzählt, sondern auch meins." Dass mitten in Deutschland muslimische Männer nach Gusto frauenverachtenden Traditionen nachgehen könnten - "das ist das, was mich traurig macht", sagt Fatma Bläser. "Wenn es nach mir ginge, würden solche Männer in den nächsten Flieger gesetzt. Mann sollte ihnen sagen: Gehe dorthin, wo du hingehörst. Hier lassen wir so etwas nicht zu." Sie kritisiert ein falsches Verständnis von Toleranz. Bei der "Aktion 3. Welt Saar", die den Vortrag organisiert hat, teilt man diese Haltung. Lange sei auch in den eigenen Reihen argumentiert worden, man müsse kulturelle Eigenarten anderer tolerieren, sagte Klaus Blees von der "Aktion" in seinem Impuls-Referat. Mittlerweile habe man umgedacht: "Wir sind für Dialog. Aber es gibt Dinge, die nicht verhandelbar sind." Bläser unterstrich, dass Zwangsheirat und Ehrenmorde nicht in allen muslimischen Familien akzeptiert sind. Hoffnungsvoll stimmt sie, dass immer mehr Musliminnen - in Deutschland, aber auch in ihren Heimatländern - aufbegehrten. Wie viel aber noch im Argen liegt, machte auch eine junge Türkin unter den gut 50 Zuhörern in Trier deutlich: "Wenn ich höre, wie meine kleinen Cousins reden, dann kriege ich es mit der Angst zu tun."

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