Ein Herrscher mit einem Reich auf Zeit

Daun/Bitburg/Prüm · Wenn Narren bestimmen: So will es die Tradition in der Zeit zwischen dem 6. Januar und Aschermittwoch. Dann wird in vielen Regionen - auch in einigen Teilen der Eifel - immer noch der Bohnenkönig als Herrscher über ein Reich auf Zeit gewählt.

 Es muss keine Monstranzbohne wie die aus dem Garten von Werner Streit in Speicher sein, sondern eine gewöhnliche weiße Bohne reicht, damit sie Menschen Anfang des Jahres in Kuchen einbacken. Wer sie findet, ist Bohnenkönig. TV-Foto: Archiv/Bettina Bartzen

Es muss keine Monstranzbohne wie die aus dem Garten von Werner Streit in Speicher sein, sondern eine gewöhnliche weiße Bohne reicht, damit sie Menschen Anfang des Jahres in Kuchen einbacken. Wer sie findet, ist Bohnenkönig. TV-Foto: Archiv/Bettina Bartzen

Daun/Bitburg/Prüm. Kaum hat der Monat Januar begonnen, erfährt man von seltsamen Bräuchen, die sich um eine Bohne drehen, sei es bei einem Bohnenball oder der Wahl eines Bohnenkönigs. Diese Bräuche, dereinst in weiten Teilen Deutschlands, aber besonders auch in der Eifel verbreitet, scheinen langsam, aber sicher auszusterben. Aber noch werden sie in einigen Orten oder Vereinen liebevoll in Variationen gepflegt und kultiviert.Der Männergesangverein Daun kürt so jedes Jahr am Abend des Dreikönigstages aus seinen Reihen einen Bohnenkönig (der TV berichtete). Nach einem festlichen, Herrenmahl genannten Essen werden Sängern Kuchenstücke gereicht. In einem von diesen ist eine weiße Bohne versteckt. Und wer diese findet, der darf dann ein Jahr lang als Bohnenkönig den Verein repräsentieren und mit der Dame seines Herzens, der Bohnenkönigin, den Königsball eröffnen. Das ist so bei den Daunern seit 1864 am Dreikönigstag Tradition. Diesen harmlosen Brauch pflegten noch vor wenigen Generationen nahezu alle Bauern- und Großfamilien."Wer König war, stand im Mittelpunkt. Er durfte sich zur Belohnung zwei Stücke Kuchen nehmen", erinnerte sich Paul Schütz, 1998 verstorbener Regionaldekan in Jünkerath. Und der Dauner Johann Mayer wusste: "Der Bohnenkönig wurde emporgehoben und musste mit Kreide ein Kreuz oder die Buchstaben C.M.B. ans Haus schreiben. Das sollte Böses abwehren."Stadt geschichte(n)

"Am Abend dieses Tages pflegte in jedem Haus eine Mannsperson zum Könige und eine Frauensperson zur Königin gemacht zu werden, die dann den Hausgenossen etwas schenken musste", schrieb Pfarrer und Eifelforscher J. H. Schmitz (um 1850) und ergänzte: "Es war sowohl bei den Herren als auch den Bürgern der Brauch, Heilig-Dreikönig-Zettel zu machen und diese zu verlosen. Wer den Zettel zog, worauf ,König\' geschrieben stand, musste eine Zeche geben."Im Bitburger und Prümer Raum nannte man diesen Abend auch Hofabend. Am Abend von Dreikönig wurde in jedem Haus ein möglichst gutes Mahl bereitet. Der Hausherr schrieb unter irgendeinen Teller: König. Wer diesen Teller erhielt, war König und musste etwas zum Besten geben. Und jedesmal, wenn der König sein Trinkglas hob, riefen alle anderen: "Der König trinkt! Es lebe der König!"Religiöse Wurzeln: Der Ursprung, die Wahl und die Brauchausübung des sogenannten Bohnenkönigs lassen sich nur begreifen, wenn man das Fest Epiphanie, den Dreikönigstag, im Einklang mit Karneval sieht.In Mitteleuropa begann durch das gesamte Mittelalter bis in die Gegenwart die Karnevalszeit am Fest Dreikönig (6. Januar) und dauerte bis Aschermittwoch. Dabei entwickelten sich die unterschiedlichsten Bräuche und Riten. Nahezu alle wurden von der Kirche und der weltlichen Macht geduldet und - falls möglich - mit tieferem religiösen Sinngehalt versehen. Denn Karneval stellt eine "verkehrte Welt" dar. Ihr Gegenpol: die "richtige, gottgewollte Welt und das erstrebenswerte Himmelreich". Mehrere Erlasse und Verordnungen der Trierer und Kölner Erzbischöfe und Kurfürsten legen davon Zeugnis ab: "Um die Belustigungen und öffentlichen Zusammenkünfte während der Carnevals-Zeit (von 3 Königen Tag bis Aschen-Mittwoch) in den Schranken der Ehrbarkeit zu erhalten, auch viele Ärgernisse und Ruhestörungen der Mitbürger zu beseitigen, wird bestimmt ..." (Erzbischof Clemens Wenzeslaus, Trier, 30. 12. 1782).Dem ewigen, erstrebenswerten Reich Gottes stehen menschliche ablehnenswerte Narrenreiche gegenüber. Menschliche Ordnungen verkehren sich ins Gegenteil: Karnevalsprinzen und -könige, närrische Gesetze und Ordnungen, Erstürmen von Rathäusern. Nicht Kluge regieren, Narren bestimmen.Auch deren Wahl war "verrückt", dem zufälligen Los, dem närrischen Schicksal überlassen. Statt eines "Königs von Gottes Gnaden" gab es nun den "Bohnenkönig", der allerdings mitsamt seinem "Narrenstaat" nur vom 6. Januar bis Aschermittwoch "regieren" durfte. Solche Bräuche waren auch im Kirchlichen zu finden, wo es ebenfalls Bohnen- oder Narren-Bischöfe gab und in Klöstern Narrenäbte, deren Amtszeit jedoch nur kurze Zeit währte.

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