Die Uhr landet im Wüstensand

Zemmer · Der Marathon des Sables gilt als einer der härtesten Extremläufe der Welt. 243,9 Kilometer durch tiefe Sanddünen, über Geröll und Stein. Durch die unendlichen Weiten der marokkanischen Wüste. Und das alles in sieben Tagen. Markus Reuter aus Zemmer (Kreis Trier-Saarburg) hat sich dieser Herausforderung gestellt.

Zemmer. Drei Kilometer vor dem Ziel, nach dem letzten Anstieg, setzte sich Markus Reuter einfach auf einen Hügel und genoss das Panorama der Sahara. "In diesem Moment habe ich Zeit und Raum völlig vergessen", berichtet Reuter. Tränen, Freude, Stolz, vor allem aber Erleichterung verspürte der 45-jährige Familienvater, als er die Ziellinie nach einem letzten Sprint mit geballter Faust und einem Jubelschrei überquerte.
"Grausam, schön, traurig, qualvoll, lehrreich", diese Schlagworte fand Reuter im Nachhinein zu dem Etappen-Ultramarathon, der besonders mental seine Spuren hinterlassen hat. Vor seiner Reise nach Marokko führte der 45-Jährige ein Leben auf der Überholspur. Er jagte eine Bestzeit nach der anderen und wollte auch beim Marathon des Sables eine passable Platzierung erreichen. Als 228. von 1030 gestarteten Teilnehmern sowie zweitbester Deutscher ist Reuter das auch gelungen - allein, es interessierte ihn nicht.Die Zeit wird zur Nebensache


Seinen ursprünglichen Plan hatte Reuter bereits früh über Bord werfen müssen. Einerseits schmerzte die Achillessehne, andererseits verliefen die ersten beiden Etappen alles andere als erwünscht.
An Tag eins sah Reuter bei 45 Grad eine Fata Morgana. Er quälte sich ins Ziel. Am zweiten Tag durchlief er alle Gefühlswelten. Aufgeben? Stehen bleiben? Weiterlaufen? "Der Gedanke an meine Familie hat mich aus diesem Tal geholt", berichtet Reuter. "Von diesem Moment an war klar, dass es nur noch darum geht, im Ziel anzukommen."
Jede Nacht fand Reuter nicht mehr als drei Stunden Schlaf. Mit der Startnummer 935 bestritt der 45-Jährige die folgenden Etappen ohne größere Zwischenfälle. Auf der Königsetappe über 81 Kilometer bewies Reuter Kollegialität.
Zeltkollege Thomas Brust, gleichzeitig Konkurrent um die Position des besten deutschen Starters, hatte bei der ersten Zwischenstation bereits seine tägliche Ration von drei Litern Wasser aufgebraucht. Jede weitere Flasche hätte eine Strafzeit von einer halben Stunde bedeutet. Reuter hätte weiterlaufen und sich die "Pole Position" holen können. Tat er aber nicht. Stattdessen gab er einen Teil seines Wassers ab und lief ein Stück der 81 Kilometer mit seinem Widersacher. Reuter wurde am Ende hinter Brust (Platz 150) zweitbester Deutscher.
Das Abenteuer in Marokko hat Reuter verändert: "Ich sehe und schätze viele Dinge ganz anders ein als in der Vergangenheit." In der Sahara musste er mehrere Male über seine Grenzen hinausgehen. "Ich werde in Zukunft keine Ultramarathons mehr laufen. Das tue ich meinem Körper nicht mehr an", sagt Reuter.
Ganz auf das Laufen will er nicht verzichten. Auf die Uhr aber schon. Von seinen Erfahrungen in Marokko will er Interessierten künftig in Vorträgen berichten.
"Es ist unglaublich, zu welchen Leistungen der Mensch in der Lage ist", sagt Reuter. Für dieses eine Gefühl auf dem Hügel, so kurz vor dem Ziel, habe sich aber jede Anstrengung gelohnt.Extra

Der Marathon des Sables ist zum 29. Mal ausgetragen worden. Ausrichter ist seit dem Start 1986 der Franzose Patrick Bauer. Gewonnen hat Lokalmatador Rachid Elmorabity. Er legte die Distanz in 20:37 Stunden zurück. Markus Reuter benötigte für die Strecke 37:55 Stunden. Von den 1030 gestarteten Teilnehmern kamen 130 nicht ins Ziel. fa

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