Meinung Der bayerische Scheinriese

Berlin · Die CSU ist laut – hat aber nur wenig zu bieten.

 Hagen Strauß

Hagen Strauß

Foto: k r o h n f o t o .de

Manchmal kann man sich über das, was Alexander Dobrindt den lieben langen Tag hinausposaunt, köstlich amüsieren. Zum Beispiel über seinen Satz, die 20-Prozent-Partei SPD könne nicht 100 Prozent ihrer Ziele umsetzen. Das sagt einer, dessen CSU umgerechnet auf den Bund sechs Prozent geholt hat – und der kompromisslos wie kein Zweiter mit Blick auf mögliche Bündnispartner in Berlin agiert. Selten so gelacht.

Oder Dobrindts bedeutungsschwerer Ruf nach einer neuen „konservativen Bürgerlichkeit“, nach einer „Revolution“ gegen die linken Eliten. Da knallen sie bei den anderen Parteien gleich vor Schreck die Hacken zusammen und gehen in Halb-Acht-Stellung. Ob der Landesgruppenchef in Kohl’scher Tradition nun aber seine ureigene geistig-moralische Wende verkündet oder in Berlin brennt eine Currywurst an, ist einerlei. Ernst nehmen das im politischen Betrieb der Hauptstadt die wenigsten. Und viel Spaß bei den Sondierungen mit der (hoffentlich doch noch etwas linken) SPD, kann man Dobrindt da nur wünschen.

Das alles ist selbstverständlich viel Folklore für die eigene bajuwarische Klientel. Sozusagen wie immer zum Jahresanfang, wenn die Christsozialen in verschneiten Gefilden in Klausur gehen. Doch mittlerweile hat sich das Prinzip des bewussten Provozierens durch Härte offenbar ziemlich abgenutzt, dem Tamtam scheint auch im Freistaat der beeindruckende Reiz abhandengekommen zu sein. Das hat die Bundestagswahl gezeigt, bei der die CSU abgestürzt ist, das belegt die letzte Umfrage, die die Partei immer noch weit von der ach so geliebten absoluten Mehrheit in Bayern sieht.

Die Gefahr besteht freilich darin, dass Dobrindt und andere in der momentan so komplizierten Phase der Regierungssuche das Klima zwischen den potenziellen Koalitionären aus Union und SPD tatsächlich vergiften. Das ist die Krux. Etwas mehr Demut stünde der CSU daher gut zu Gesicht, auch aus einem anderen Grund. Sie tut zwar gerne so, als sei sie groß, einflussreich und durchsetzungsstark. In Wahrheit ist sie jedoch im Moment nur noch ein bajuwarischer Scheinriese.

Gewiss: Personell ist nach Monaten des internen Kampfes die Wende eingeleitet hin zu Markus Söder als neuem Ministerpräsidenten. Er muss freilich erst noch liefern und ist alles andere als unumstritten, in der Partei, bei den Bayern. Aber inhaltlich? Da ist die CSU längst zu einer Ein-Themen-Partei verkommen rund um Migration, Flüchtlinge und Asyl. Getrieben von der Angst vor der AfD. Danach findet sich lange nichts mehr im christsozialen Portfolio. Früher gab es wenigstens noch die Maut und das Betreuungsgeld, auch wenn beides Unsinn gewesen ist. Heute weiß man nicht, woraus die Christsozialen eigentlich immer noch ihren so lautstark vorgetragenen bundespolitischen Anspruch ableiten. Nicht einmal Angela Merkel braucht sie unbedingt, um Kanzlerin zu bleiben. Kraftmeierei reicht eben nicht aus, um im Bund wichtig zu sein – und in Bayern eine Landtagswahl zu gewinnen. Da muss endlich wieder mehr kommen von der CSU.


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