Verlorener Schwung

Manchmal, so hat Wolfgang Schäuble bei der Verabschiedung des Griechenland-Rettungspakets vor zwei Wochen im Bundestag gesagt, habe er das Gefühl, "dass das Momentum verloren geht". Es ging um die internationalen Maßnahmen zur Kontrolle der Finanzmärkte. Schäubles Gefühl trog nicht.

Noch am Nachmittag des gleichen Tages geriet die Gemeinschaftswährung insgesamt in die Krise. Nun müssen 750 Milliarden Euro Garantie-Kapital bereitgestellt werden. Vom Schwung der ersten Konferenz der G 20 nach der Bankenkrise Ende 2008 ist nichts geblieben; stattdessen kapituliert nun sogar das starke Europa vor den Spekulanten.

Wann, wenn nicht jetzt, wo, wenn nicht in dieser Woche im Bundestag kann wenigstens Deutschland sein "Momentum" zurückfinden? Das setzt voraus, dass die beiden in dieser Situation wichtigsten Akteure - die Kanzlerin und ihr Finanzminister - wieder so etwas wie Elan entwickeln. Sie müssen in der Krise mehr sein als nur reaktive Krisenmanager. Sie müssen endlich wieder aktiv gestalten, den "Primat der Politik", von dem Merkel sprach, für sich selbst zurückgewinnen.

Wenn Europa wieder vom Getriebenen der Finanzmärkte zum Treiber einer politischen Antwort werden will, kommt Deutschland - der größten Volkswirtschaft - eine Schlüsselrolle zu. Die bisherigen Eckpunkte der Bundesregierung werden diesem Anspruch bei weitem nicht gerecht. Weder dämmen sie die Spekulation wirksam ein noch bitten sie die Zocker zur Kasse. Bessere Aufsicht über die Banken und Vorsorge für künftige Rettungsaktionen in Gestalt eines Stabilitäts-Fonds - das ist schön und gut. Aber an den Wurzeln packt es das Problem nicht.

nachrichten.red@volksfreund.de

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