Soziales

Zum Leserbrief "Wie in Kaisers Zeiten" (TV vom 9. November) und zur Entwicklung der Renten in Deutschland:

Selbstständigkeit ist kein Synonym für Reichtum … obwohl viele genau das denken. In Wahrheit gibt es auch eine Menge Selbstständige, für die 50 bis 60 Stundenwochen im Beruf unverzichtbar sind, um überhaupt über die Runden zu kommen. Rechnet man die Kosten für Mieten, Arbeitsmittel, Geräte, Versicherungen oder Steuerberater heraus, fällt der reale Netto-Stundenlohn oft ernüchternd dürftig aus. Und den "Luxus" der Arbeitnehmer in Bezug auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaub mit weiterlaufendem Gehalt kennen die meisten Selbstständigen auch nicht (oder müssen ihn teuer zusatzversichern). Deshalb gebe ich Herrn Scholzen recht, wenn er den Satz zitiert: "Wer kaum etwas hat, kann auch nicht vorsorgen." Das gilt aber auch für viele Selbstständige! Was er und viele andere aber völlig unterschlagen: Fast die Hälfte aller "Vollzeit"-Selbstständigen (2014: 48,3 Prozent) und fast jeder, der noch ergänzend selbstständig arbeitet (2014: 91 Prozent), zahlen bereits verpflichtend in die Rentenkasse ein. Und zwar im Gegensatz zum Angestellten nicht nur den anteiligen, sondern den vollen Beitragssatz. Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist für Selbstständige nur bei Anstellung von Mitarbeitern (mehr als 450-Euro-Job) auf Antrag möglich! Des Weiteren vergisst Herr Scholzen einen wichtigen Aspekt: Zahlen alle Selbstständige in die Rentenkasse ein, haben auch alle Selbstständigen den vollen Rentenanspruch, der sicher über den Betrag der Grundsicherung hinausgeht. Folglich steigen zwar zunächst die Einnahmen, aber später natürlich auch die Ausgaben der Rentenkassen. Dies müssten dann die nachfolgenden Generationen bezahlen, die mit der Finanzierung angesichts der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung ohne Hilfe durch Zuwanderung aus anderen Ländern sowieso schon überfordert sein werden. Deshalb ist meiner Meinung nach die Ansicht, mit einer generellen Rentenversicherungspflicht für alle Selbstständigen (und Beamten) das Problem der Rentenfinanzierung lösen zu können, zwar populistisch, aber naiv. Womöglich sogar schädlich. Nämlich dann, wenn die "Rentenversicherungspflicht für alle" potenzielle neue Selbstständige abschreckt oder bestehende Unternehmen dazu veranlasst, weniger Arbeitsplätze anzubieten. Daniel Weinand, Hermeskeil

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