99,75 Prozent Zustimmung: SPD nominiert Kurt Beck

Geschlossenheit, Harmonie, Kampfeslust: Die rheinland-pfälzische SPD zeigt sich höchst optimistisch für die Landtagswahl. Unangefochtene Nummer eins ist und bleibt Ministerpräsident Kurt Beck.

Mainz. Seit 19 Jahren regieren in Rheinland-Pfalz die Sozialdemokraten, seit 2006 sogar mit absoluter Mehrheit. Umfragen lassen derzeit nicht darauf schließen, dass sich das am 27. März 2011 ändern könnte. Entsprechend aufgeräumt und locker präsentiert sich die Partei. Selbst Abgeordnete, die aufgrund eines schlechten Platzes auf der Landesliste um den Wiedereinzug ins Parlament fürchten müssen, verkneifen sich das Murren.

So wie der Konzer Alfons Maximini. Er hat 2006 den Wahlkreis gegen CDU-Widersacher Bernd Henter ganz knapp gewonnen und hätte mit mehr als Platz 44 auf der SPD-Liste gerechnet. Maximini zeigt sich ein wenig enttäuscht, sagt aber nur: "Das werde ich schon schaffen." Obwohl wie Maximini nicht alle zufrieden sein können, wird die Landesliste mit Kandidaten für alle 51 Wahlkreise im Land einmütig verabschiedet.

Sollte es bei dem ein oder anderen aufgrund diverser Affären Zweifel geben, räumt die personifizierte Zuversicht Kurt Beck sie beiseite. Wer dem Ministerpräsidenten lauscht, wie er beim Landesparteitag am Rednerpult frei von der Leber die Erfahrung aus mehr als 30 Jahren in der Politik ausspielt, zeigt sich begeistert. Transparente werden geschwenkt, auf denen "Kurt und Gut" oder "Persbeck-tive" zu lesen ist. Die Attacken der Konkurrenz pariert Beck gelassen. Rücktritt von Justizminister Heinz Georg Bamberger, weil er bei einer Besetzungspersonalie höchstrichterlich abgewatscht wurde? "Diese Forderungen kann man nur mit dem Wahlkampf begründen. Da geht es nicht um die Sache", sagt Beck. Der Minister sei ein Experte und ein "integrer Mann". Punkt.

Die Nürburgring-Affäre? "Wo Menschen handeln, wird es immer auch Fehler geben. Wir werden nicht hinnehmen, dass Wege skandalisiert werden. Wir stehen zueinander." Man sei auf einem "sehr vielversprechendem Weg". Punkt.

Die Schlosshotel-Affäre Bad Bergzabern? "Hier hat es keinen gegeben, der sich selbst oder um der Partei willen dem Land Schaden zugefügt hat." Punkt.

Der SPD-Landesvorsitzende teilt in seinen eineinhalbstündigen Ausführungen auch aus. So knöpft er sich CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner vor. Ihre Forderung, mehr zu sparen und schon 2016, nicht 2020, die Schuldenbremse zu erfüllen, wischt er als "so was von weltfremd" vom Tisch. "Das würde bedeuten: 8000 Leute raus - nicht Stellen streichen, einfach raus!" Leistungen müssten zusätzlich gekürzt werden. "Welche, sagt sie nicht."

Die Streitereien in der CDU um den Eifeler Sturkopf Michael Billen nimmt Beck genüsslich zum Anlass, Unterschiede zwischen Union und SPD herauszuarbeiten. "Bei uns herrschen Diskussionsbereitschaft und Geschlossenheit." Es gebe keinen wie CDU-Fraktionschef Baldauf, "der aussieht wie ein Schluck Wasser in der Kurve".

Den Menschen zuhören, das Gehörte aufnehmen, Perspektiven erörtern, Entscheidungen ableiten und dazu stehen - das prägt laut Kurt Beck die SPD-Regierungspolitik. Stolz sei er darauf, dass alle Kinder einen Kindergartenplatz hätten und dafür nichts bezahlen müssten. Zufrieden sei er, dass es nun ein Schulsystem mit längerem gemeinsamen Lernen gebe - ohne Schulkonflikt wie andernorts. Bei den Hochschulen habe man es geschafft, das Land an die Spitzengruppe der Bundesländer heranzuführen. Besuchen könne man sie nach Begabung und Fleiß, nicht nach Geldbeutel. Unternehmen fänden beste Bedingungen mit den schnellsten Genehmigungsverfahren vor.

Ausgelassene Stimmung bei den Delegierten



Die Arbeitslosenquote, besonders die der Unter-20-Jährigen, sei hervorragend. Die Hälfte der Energie im Land werde schon selbst erzeugt, der Hochwasserschutz sei beispielhaft, Rheinland-Pfalz eine Topadresse für regenerative Energien. Becks Fazit: "Das Land steht toll da."

Der Parforceritt durch die Politikfelder und über die von der Opposition kritisierten Untiefen gelingt dem Ministerpräsidenten so gut, dass das Resultat entsprechend ausfällt: 99,75 Prozent der Delegierten küren Kurt Beck zum Spitzenkandidaten der SPD. Es ist das beste Ergebnis, das er je bekommen hat.

Die Stimmung bei den Delegierten ist nach Bekanntgabe der Entscheidung ausgelassen. Auch junge Genossen wie der Trierer Sven Teuber (28), SPD-Fraktionschef im Stadtrat, sind froh mit dem "alten Mann". "Ohne Beck", lobt Teuber im Saal, "wäre ein blühendes neues Stadtquartier wie auf dem Petrisberg nie entstanden."

Derweil zeigt sich Justizminister Bamberger einerseits erleichtert, dass ihm der Rücken gestärkt wurde, andererseits aber auch betroffen. "Einige Kommentare sind befremdend, manches ist auch ungerecht und falsch." Sein Kommentar zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das ihm Rechtsbruch attestiert hatte (der TV berichtete): Es habe zwei hervorragende Kandidaten für den Posten des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz gegeben, man habe sich für einen entscheiden müssen. extra Auf der Landesliste der SPD kommen gut platzierte Kandidaten zum Zuge, die nicht das Direktmandat in ihren Wahlkreisen gewinnen. Nach der Wahl 1996 hatte die SPD 44 Mandate; 2001 waren es 49, zurzeit sind es 53 Mandate. Listenplätze bis Rang 40 gelten daher als relativ sicher, um den Wiedereinzug ins Parlament zu schaffen. Die Platzierungen der Kandidaten aus der Region Trier: Malu Dreyer (4), Astrid Schmitt (18), Monika Fink (28), Bettina Brück (31), Ingeborg Sahler-Fesel (36), Alfons Maximini (44), Jens Rieger (51). (fcg)Monika Fink (Bitburg): "Mein Ziel war eine Zwei vorne auf der Liste. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden." Astrid Schmitt (Daun): "Bei mir ist es fast die gleiche Platzierung wie vor vier Jahren. Das ist gut." Alfons Maximini (Konz): "Ich wäre gerne weiter vorne gelandet. Aber so ist das nun mal." Bettina Brück (Thalfang): "Das ist eine gute Ausgangsbasis für mich. Ich werde mich aber tierisch anstrengen, das Direktmandat zu gewinnen. Es wird Zeit, dass wir das mal holen." Ingeborg Sahler-Fesel (Schweich): "Ich freue mich über den großen Sprung nach vorne, beim letzten Mal war ich auf Platz 53. Offenbar habe ich mir unter anderem als frauenpolitische Sprecherin viel Anerkennung erarbeitet, obwohl ich ja nicht der Typ Frau mit Anzug bin."

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