Arm trotz Arbeit

TRIER. Sie verdienen so wenig, dass kaum über die Runden zu kommen ist. Oder ihre Rente ist derart niedrig, dass es am Nötigsten fehlt. Die aktuelle Diskussion um eine neue Armut konzentriert sich auf Arbeitslose, die von Hartz IV leben müssen. Doch es gibt auch andere Menschen, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen. Beim Diakonischen Werk in Trier kann man ein Lied davon singen.

Peter Lichter, um die 30, ist verheiratet, hat zwei Töchter - und einen Vollzeit-Job in der Lebensmittelbranche. Dort verdient er 1250 Euro netto im Monat, zusätzlich erhält die Familie 306 Euro Kindergeld und 144 Euro Wohngeld. Die Miete kostet 500 Euro, für Strom fallen 70 Euro an. Um seinen Arbeitsplatz zu erreichen, braucht Peter Lichter ein Auto, für das er jeden Monat 259 Euro abstottert. Hinzu kommen Fahrtkosten, Beiträge für Versicherungen, Telefongebühren. Unter dem Strich bleiben der vierköpfigen Familie 722,65 Euro im Monat zum Leben. "Das sind 5,80 Euro pro Person und Tag", sagt Jürgen Ziegler von der Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werks in Trier - "5,80 Euro für Essen, für Kleidung, für Schuhe, für Klassenfahrten." Die Lichters heißen in Wirklichkeit anders - wie alle Personen in finanziellen Notlagen, die in diesem Text auftauchen. Sie stehen für viele andere Menschen, die versuchen, sich ihren Unterhalt selbst zu verdienen oder mit ihrer Rente auszukommen - und dennoch kaum besser dastehen, als wenn sie von Sozialleistungen lebten. Zu ihnen gehören auch Klaus und Lena Weber, beide über 70. Sie beziehen zusammen eine monatliche Rente von 1148,25 Euro. Davon gehen rund 630 Euro für Miete und Nebenkosten ab, 50 fallen für Telefon und Ähnliches an. Außerdem stottern die beiden monatlich 50 Euro Ratenzahlungen ab. Am Ende bleiben ihnen zusammen 375,71 Euro zum Leben. Davon müssen noch regelmäßig orthopädische Schuhe für die Ehefrau bezahlt werden. "Dieses Paar hat ein Leben lang gearbeitet und vier Kinder großgezogen", sagt Eva-Maria Schmitt von der Schuldnerberatungsstelle. Die Kinder des Paars hätten selbst kaum Geld. "Es macht einen fertig, so was zu sehen." Wie die übrigen Menschen in diesem Artikel nahmen die Webers Kontakt zu Schmitt und Ziegler auf, als sie merkten, dass ihnen die Situation über den Kopf wuchs. Die Schuldnerberater klopfen in solchen Fällen die Ausgaben auf unnötige Posten ab - oft ohne Erfolg. Immer häufiger stellen Schmitt und Ziegler für Schuldner "Nullpläne" auf - will heißen: Die Betroffenen können Gläubigern nichts zur Entschuldung anbieten. Zu ihnen gehört auch Erika Kurz. Sie ist Ende 60, lebt in einer Eigentumswohnung und erhält im Monat 723,51 Euro aus zwei verschiedenen Renten. Davon gehen monatlich 453 Euro feste Ausgaben ab - der größte Block sind 180 Euro Umlage für ihre Wohnung, der Rest läppert sich zusammen aus Entgelten für Busfahrkarte, Versicherungen, Kontoführung, Telefon und Rundfunk. Bleiben monatlich 270,38 Euro für alles, was sonst noch anfällt. Anspruch auf ergänzende Hilfe vom Staat besteht erst, wenn die Einkünfte die Hartz-IV-Regelleistungen unterschreiten: für allein Stehende 345 Euro, für weitere Personen im Haushalt je nach Alter und Status 207 bis 311 Euro. Meist gibt's dann wie im Fall von Familie Lichter Wohngeld. Oft genug treten Betroffene den Weg zur Sozialbehörde allerdings gar nicht erst an, weil sie dann - wie etwa Rentner-Ehepaar Weber - in eine billigere Wohnung umziehen müssten. Für die Zunahme der Armut jenseits von Hartz IV machen Schmitt und Ziegler ein Bündel von Ursachen verantwortlich: Die Umstellung auf den Euro, das Wegbrechen früherer staatlicher Hilfen, höhere Energiekosten, Zuzahlungen im Gesundheitsbereich. "Viele versuchen wirklich alles", sagt Schmitt. "Und trotzdem reicht es nicht."

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