Bevölkerung stützt Ärzte-Proteste

Berlin . Getragen von einem kräftigen Rückenwind aus der Bevölkerung starten Deutschlands niedergelassene Ärzte heute ,,den größten Mediziner-Protest in der Geschichte der Bundesrepublik". Über 40 Ärzte-Organisationen haben zu einem ,,Tag der Ärzte" aufgerufen, um damit gegen den massiven Sparkurs der Bundesregierung in der Gesundheitspolitik zu protestieren.

Nach vielen regionalen Protestaktionen in den vergangenen Tagen, zum Beispiel in Baden-Württemberg oder Sachsen-Anhalt, wird damit gerechnet, dass heute bundesweit über 50 000 Praxen von Allgemeinmedizinern und Fachärzten geschlossen bleiben. Die Notfallversorgung ist nach Angaben der niedergelassenen Mediziner sichergestellt. In Berlin ist vor dem Bundesgesundheitsministerium eine zentrale Protestkundgebung geplant, zu der 5000 bis 7000 Ärzte aus ganz Deutschland erwartet werden. Laut Umfrage des Berliner Meinungsforschungsinstituts Infratest-Dimap im Auftrag des Ärzte-Verbandes NAV-Virchow-Bund, zeigen 81 Prozent der Krankenversicherten Verständnis für die Protestaktionen. Nur 17 Prozent lehnen sie ab. Maximilian Zollner, Bundesvorsitzender des Verbandes der niedergelassenen Ärzte: ,,Die Zeiten, da Ärzte das Image von Halbgöttern in Weiß hatten, sind vorbei. Uns ist es gelungen, deutlich zu machen, dass die medizinische Versorgung der Bevölkerung auf dem Spiel steht." Aufgrund der katastrophalen Arbeitsbedingungen wanderten immer mehr Mediziner ab. Sehr deutlich fällt nach der Infratest-Umfrage die Ablehnung des Arzneimittel-Wirtschaftlichkeitsgesetzes aus, das im April in Kraft treten soll und zu dem heute vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages eine Anhörung stattfindet. 84 Prozent aller Krankenversicherten lehnen diesen gesundheitspolitischen Sparplan der schwarz-roten Bundesregierung strikt ab. Der Umfrage zufolge liegt das größte Vertrauen der Bürger im Gesundheitswesen bei den Krankenkassen, gefolgt von den Ärzten und den Apotheken. Jörg-Dietrich Hoppe, der Präsident der Bundesärztekammer, unterstützt die landesweiten Proteste. Die Ärzte hätten schon lange genug von ,,unmenschlichen Arbeitsbedingungen und unbezahlten Überstunden". Sie wollten nicht ,,länger auf dem Rücken ihrer Patienten staatliche Rationierung durchführen müssen". Kassen und Politiker versprächen nahezu unbegrenzte Leistungen, zögen aber beim Budget an. Dadurch würden Patient und Arzt immer stärker in einen Konflikt über die Rationierung medizinischer Leistungen getrieben. Die Diagnose, so Hoppe, sei klar, ,,am 18. Januar beginnen wir mit der Therapie". Den Anfang hätten die Klinikärzte gemacht, die sich in harten Tarifauseinandersetzungen befänden. Die niedergelassenen Ärzte hätten sich dadurch ermutigt gefühlt, ebenfalls aktiv zu werden. Hauptkritikpunkte der 140 000 niedergelassenen Ärzte in 100 000 Praxen sind die überbordende Bürokratie, zu eng begrenzte Budgets, die Rationierung von Leistungen sowie die Bonus-Malus-Regelung nach dem geplanten Arzneimittel-Wirtschaftlichkeitsgesetz.

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